Aus Überzeugung in den Knast

■ BlockiererInnen an Raketenstandorten lehnen Geldstrafe ab / Gang ins Gefängnis ist für sie ein unersetzliches Mittel im gewaltfreien Kampf gegen atomare Bedrohung

Stuttgart (taz) - Christian Joks aus Göttingen ging gestern für 40 Tage in den Holzmindener Knast. Er hatte sich im Spetember 1986 an Sitzblockaden vor dem Pershing-II-Depot in Mutlangen beteiligt. Außer ihm befinden sich derzeit weitere vier „FriedensstifterInnen“ in Haft. Sie sehen den Gang ins Gefängnis als unersetzliches Mittel im gewaltfreien Kampf gegen die atomare Bedrohung an und lehnen es ab, die gegen sie verhängten Geldstrafen zu bezahlen.

Im Rahmen der Kampagne „Ziviler Ungehorsam bis zur Abrüstung“ werden zwar seit Abschluß des INF-Vertrags über die Abrüstung landgestützter atomarer Mittelstreckenraketen keine Blockaden mehr durchgeführt. Dennoch leben die InitiatorInnen der Kampagne weiterhin im vor zwei Jahren von der Friedensbewegung erworbenen Carl-Kabat-Haus in Mutlangen. Zu tun gibt es genug: Noch immer finden Prozesse gegen BlockiererInnen statt, und Verurteilte müssen in den Knast.

Außerdem beobachten sie die trotz Abrüstungsverhandlungen weiterhin stattfindenden Abschußübungen mit den 27 in Mutlangen verbliebenen Pershing-II-Raketen. Diese sollen, wie es der INF-Vertrag vorsieht, erst Mitte 1991 vollständig abgezogen sein. So lange wollen die Carl-Kabat-HäuslerInnen den Menschen beistehen, die sich Militär und Kriminalisierung aussetzen, wie es im Rundbrief der Kampagne heißt.

Zuletzt war dies Christa Kröger, eine wegen gemeinschaftlicher Nötigung zu 20 Tagessätzen verurteilte Blockiererin, die die Haft in der Leonberger Vollzugsanstalt antrat. Wegen Überbelegung wurde sie schon nach zwei Tagen ins Frauengefängnis „Gotteszell“ in Schwäbisch Gmünd verlegt. Sie will mit ihrem Haftantritt vor allem deutlich machen, wie wenig die rechtsprechende Bürokratie weltpolitische Entwicklungen beachte.

Ulrike Laubenthal, die sich derzeit in der JVA Frankfurt -Preungesheim befindet, hat in „Gotteszell“ bereits im vergangenen Jahr Erfahrungen mit ungesunder Ernährung und der täglichen Gewalt und Unterdrückung gemacht. Dabei handelt es sich bei „Gotteszell“ um einen ausgesprochenen Vorzeigeknast: Neubau, helle Farben, alles sauber und besucherfreundlich. Daher finden dort häufig Besichtigungen des modernen Strafvollzugs statt, was für die gefangenen Frauen sehr demütigend ist. Doch der auch hier existierenden „Bunkerpraxis“ werden die Blockiererinnen als „Edelknackis mit Öffentlichkeit“ selbst nach wochenlanger Arbeitsverweigerung nicht ausgesetzt.

Den Knastalltag erleben die „normalen“ Gefangenen meist sehr viel isolierter als die Blockiererinnen, die vom Kabat -Haus unterstützt werden und täglich mehrere Briefe bekommen. Ulrike Laubenthal will das ändern: Wer einer ihrer Mitgefangenen die Brieffreundschaft anbieten will, soll ihr schreiben und dabei eventuelle Fremdsprachenkenntnisse angeben - es gibt viele ausländische Gefangene in Preungesheim.

Uwe Rosentreter

Kontakt: Initiative Ziviler Ungehorsam bis zur Abrüstung, Carl-Kabat-Haus, Schulstr. 9, 7071 Mutlangen