NACKTHEIT MIT MET()ODE

■ Nils Ausländer in seiner Produzentengalerie

Als die vergangenen Kirchentage Bilder für ihre Ausstellung „Engel“ suchten, lehnten sie aus tiefster Seele beziehungsweise Überzeugung die vier Asphalt-Tafeln „Androgyn“ von Nils Ausländer ab, auf denen ein schlankes, zweigeschlechtliches Wesen zeigt, was es mit sich herumträgt. Zu seinem Bild „Der Engel“ konnten sie sich noch durchringen und hängten es in eine der hintersten Ecken der Ausstellung, wo es ein wenig flügellahm sein Schattendasein fristete.

In der Produzentengalerie dagegen kommt man nicht darum herum, in aller Öffentlichkeit die abgebildeten Körper zu betrachten. Das ist sicher auch ein Motiv des Malers Nil Ausländer, der seine Pubertät in den fünfziger Jahren und dementsprechend keine unbefangene Sexualität erlebte. Damals wurden die kleinen schmutzigen Hefte, in denen Frauen sich Bild für Bild mehr entblößten, noch unter dem Ladentisch verkauft. Hält man sie heute in Händen, zweifelt man daran, wie diese jemals für Erregung sorgen konnten. Nils Ausländer hat diese fotokopiert und mittels Nitro auf eine Leinwand übertragen. Er hat sie mit den Originalnamen von „Mylene Gordon“ bis „Samanta Bond“ versehen, aus Anatomiebüchern Muskelstränge hinzugefügt und in Sütterlinschrift eine Geschichte geschrieben, die die Absurdität solcher Fotoserien noch dadurch verdeutlicht, daß sie beispielsweise berichtet von der im Wald abgebildeten Frau, die mit all ihrem Mut im dunklen Wald gegen das Waldsterben kämpft.

Die Verknüpfung zweier nicht zusammengehörender Themata zeichnen auch seine Zeichnungen in Telefonbüchern aus. Seite für Seite entblättert sich eine Frau. Man sieht die in der Bewegung erstarrten Posen, das Kleid, der BH, das Höschen hängen in der Luft. Und wenn das Zuschauen Lust macht, so bleibt einem die Irritation dennoch nicht erspart, bemerkt man auf den Köpfen der Seiten die Bestattungsanzeigen eines stadtbekannten, allbezirklichen, tagnächtlichen Instituts. Schaut man der Frau ins Gesicht, verwandelt sich das Gesicht von Bild zu Bild, von Kleidungsstück zu Kleidungsstück zu einem nackten Totenkopf.

In Nil Ausländers Bildern stirbt man ständig kleine Tode. Wenn er vom blühenden Leben berichtet, kann er es sich nie verkneifen, daran zu erinnern, daß wir perspektivisch alle doch ins Gras beißen müssen. Und deshalb sollen wir genießen, solange es noch geht.

Qpferdach

Nils Ausländers Produzentengalerie, Grolmannstr.51, 1-12, Öffnungszeiten Mi-Fr 14-19 Uhr, und auf Verdacht täglich.