Politischer Fehler-betr.: "Panthersprung zur Partei", taz vom 12.7.89

betr.: „Panthersprung zur Partei“, taz vom 12.7.89

Die Gründung der neuen Partei „Die Grauen“ ist tragisch für die Grünen und für die Grauen. Sie wird dazu beitragen, daß sich die Grünen noch weniger als bislang für die Interessen der alten Menschen einsetzen. Denn ohne auch parteiinterne „pressure group“ machen die Grünen erfahrungsgemäß nichts. Die Gründung der neuen Partei ist freilich auch für die Grauen (den Seniorenschutzbund Graue Panther) tragisch: weil sie sich damit allein auf die Vertretung von Gruppeninteressen festlegen. Das ist in der Politik problematisch.

Die Grauen kappen damit das Band zur jungen Generation, sie kündigen die Generationensolidarität nochmals: so wie die heutigen Alten den Faschismus mittaten und uns eine zerstörte Umwelt hinterließen. Auch wenn noch so viele „Graue“ an diesem Erbe keine Schuld tragen mögen: viele junge Menschen denken so. Warum sollten sie für „solche“ Alten hohe Rentenbeiträge zahlen, sich um eine würdige Pflege kümmern oder dafür sorgen, daß in Altersheimen die Grundrechte geachtet werden? Wenn die Alten politisch den Generationenvertrag aufkündigen, dann machen sie es den Jungen leicht, das Gleiche zu tun.

Die Gründung der Grauen ist ein politischer Fehler. Doch sie ist nicht nur auf dem Mist von Trude Unruh gewachsen. Die Grünen haben - wenn ich es recht sehe - keinen Fehler ausgelassen, um die Grauen zu provozieren.

Ich war in der ersten Legislaturperiode der Grünen im Bundestag zuständiger wissenschaftlicher Referent für Sozialpolitik und zudem Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft „Soziales und Gesundheit“ der Grünen. Wir hatten den Sprachrohrvertrag mit den Grauen Panthern geschlossen, gemeinsam das grüne Rentenmodell (Grundrente und Zusatzrente) in Büchern, Flugblättern und Veranstaltungen propagiert, die Abschaffung der großen Altersheime und Grundrechte für Entmündigte gefordert. Dabei waren die Grauen und vor allem die jetzige Grüne MdB Trude Unruh keine leichten PartnerInnen. Aber ich habe sie immer gerne gemocht und in ihrer Art geschätzt: Sie sind aggressiver, sie arbeiten oft schwarz-weiß, sie sind populistisch - es sind alte Menschen, mit viel Erfahrung, aber auch vielen, vielen Verletzungen, die sie wütend gemacht haben. Das müssen die „jungen“ Grünen akzeptieren.

Weder der Bundesvorstand noch die Bundestagsfraktion haben die Grauen je wirklich akzeptiert. Das heißt nicht liebedienern, sondern auch zurückschießen. Die letztliche Geringschätzung der Grauen durch die grünen BundesfunktionärInnen zeigt, daß die Grünen bis heute im sozialen Bereich oberflächliche Politik machen. In alt -linker, billiger Manier werden quantitative Forderungskataloge abgeleiert, einer paar Mark mehr als die SPD sind wohlfeil. Doch wirkliche grüne Sozialpolitik würde bedeuten, die Menschen ganz und gar ernstzunehmen. Sie nicht nur von rechts oder links, mit Polizei und Sozialversicherung zu bevormunden. Tausende von Institutionen wären zu negieren, abzuschaffen und neu zu denken.

Mit billigen Ausreden haben Bundesvorstand und Bundestagsfraktion das Tischtuch zu den Grauen zerschnitten und zerschneiden lassen. Ich wünsche mir, daß beide Parteien zur Besinnung kommen, daß die Grünen endlich mit offenem Herzen auf die Grauen zugehen und ihnen ehrlich die Hand reichen.

Michael Opielka, Hennef