Rathaus läßt Bremer Lokalradio planen

■ Noch kein Konzept für fünfte Funk-Frequenz ab 1992 / Grüner Protest gegen Aktivitäten des Bürgermeisters

In Bremen wird spätestens am 1.1.1992 eine zusätzliche Radio -Frequenz frei und Bürgermeister Klaus Wedemeier „würde es begrüßen, wenn sich möglichst viele Gruppen und Interessierte an einem spezifisch bremischen Hörfunkmodell beteiligen würden.“ So jedenfalls hatte er bereits im April in einem persönlichen Brief an die Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeberver

bände, Kammern, Wohlfahrts verbände, den Landessportbund u.a. geschrieben. Seinen kurz zuvor abgetretenen Staatsrat Helmut Euler bot Wedemeier als „Ansprechpartner“ an. „Dabei verfolge ich das Ziel, daß ein Netz möglichst vieler Beteiligter entsteht, um mit einem künftigen Hörfunkunternehmen einen weiteren Beitrag zur Meinungsvielfalt in unseren beiden Städten zu

ermöglichen“, hieß es abschließend in dem Brief.

„Es ist nicht Sache des Staates, ein lokales Radio zu organisieren“, ärgerte sich die grüne Abgeordnete Carola Schumann über Wedemeiers Brief, „und Euler ist der völlig falsche Ansprechpartner, denn mit Rundfunk hat sein Filminstitut nicht das Geringste zu tun.“ In ihrem Ärger bestätigt wurde Schumann, als sie jetzt die

Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage ihrer Fraktion bekam. „Weder der Senat noch der Präsident des Senats verfolgen irgendwelche staatlichen Interessen bei einem lokalen Hörfunk in Bremen und Bremerhaven“, heißt es darin, „sie wären daran auch von vornherein durch die Verfassungslage gehindert.“

Doch mit diesem Argument, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, wollen sich die Grünen angesichts der Aktivitäten des Rathauses nicht abspeisen lassen. Zusammen mit der Angestelltenkammer bereiten sie für Ende dieses Jahres einen Workshop vor, auf dem alle „Gruppen, die sich am Rand der Gesellschaft bewegen und im Meinungsbildungsprozeß der Medien nicht (hinreichend) repräsentiert sind“, über ihre Vorstellungen von einem alternativen Bremer Lokalradio nachdenken sollen. Dazu zählt der grüne Rundfunkrat Jochen Rieß in einem Konzept-Papier z.B. „Arbeitslose, Ausländer, Schwule, Lesben, Jugendgruppen, Subkulturen, avantgardistische Kulturschaffende, Alte, Kinder und Frauen“.

Bislang herrscht in diesem Alternativbereich allerdings völlige Funkstille in Sachen Radio. Zwar dachte vor einigen Jahren eine Gruppe unter dem Namen „Radio Bali“ am Kulturzentrum Schlachthof über ein „offenes Programm“ nach, doch inzwischen ist die Initiative wieder eingegangen. Auf einem Hearing der Grünen im August vergangenen Jahres war zudem große Skepsis über die Möglichkeiten eines offenen Lokalradios zwischen „alternativem Verlautbarungs-Jour

nalismus“ und „Betroffen heits-Gejammer“ zu hören. Das nicht-kommerzielle Hamburger „Radio Korah“ hat inzwischen seine Lizenz zurückgegeben, weil die Redaktion unter dem Druck zwischen Geldmangel und Forderungen der Träger-Verbände aufgerieben wurde.

Als erfolgversprechende Bremer Lösung stellt sich ein Arbeitskreis im grünen Umfeld deshalb jetzt die Beteiligung der „Landesmedienanstalt“ an der Finanzierung und Organisation des Lokalradios vor. Mit zwei Prozent der Rundfunkgebühren (rund 1,4 Mio Mark jährlich) ausgestattet, ist die Landesmedienanstalt für die Lizenzvergabe und Kontrolle privater Funk- und Fernsehkanäle in Bremen zuständig. Doch diese Idee wird aus dem Rathaus entschieden bekämpft. „Die Landesmedienanstalt kann nicht etwas koordinieren, was sie später in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren zu lizensieren hat, und dies gilt erst recht in dem Fall unterschiedlicher, konkurrierender Antragsteller“, heißt es in der Senats-Antwort auf die kleine Anfrage der Grünen.

„Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte“, werden sich unterdessen der Weser-Kurier-Verleger Ordemann, der größte Bremer Konzert-Veranstalter Klaus-Peter Schulenberg und die Bremerhavener Nordseezeitung denken. Falls kein „Bremer Hörfunkmodell“ zustandekommt, stehen sie mit dem Konzept eines kommerziellen Lokalsenders nach Vorbild des niedersächsischen „Radio ffn“ schon in den Startlöchern.

Dirk Asendorpf