Nicht zimperlich mit den „Hunden“

■ Von den Juden bis zu Gorbi und den Aussiedlern, Pastor Danger in der Zionskirche sieht alle dem „Gott Bauch“ verfallen

Paulus sitzt im Gefängnis in Ephesus und „es verdrießt“ ihn überhaupt nicht, der christlichen Gemeinde in Philippi - in seinem dritten Brief - immer „dasselbe zu schreiben.“ Nämlich, daß diejenigen „Hunde“ seien, die die Philippiker damit kirre machen, daß zur rechten Gotteserwählung einfach die Beschneidung gehöre, mit der die (männlichen) Juden den Bund mit Ihrem Gott besiegeln. Anstatt auf den Glauben (an Christus) setzen die ihr Vertrauen auf „Fleisch“, und auf die Gerechtigkeit aus dem Gesetz. “ Unrat“ nennt Paulus diese Auffassung, oder nach Pastor Dangers Bibelübersetzung, „Kot“ und „Dreck.“ Da geifert ein Hundertfünfzigprozentiger gegen den jüdischen Glauben und besonders die pharisäische Gesetzestreue, ein beschnittener Jude, ein ehemaliger Phärisäer, auch damals ein Hundertfünfzigprozentiger. Da geifert ein Renegat und beruft sich auf sein Renegatentum, er wisse es so gut, wie kein anderer.

„Nicht zimperlich,“ findet Pastor Danger des Eiferers Wort von den jüdischen „Hunden“. Aber in den zentralen Dingen, da muß schon mal „Fraktur geredet“ werden, das habe Luther auch getan. Zentral ist, daß man nicht durch Werke und Leistung gerecht werde, sondern durch den Glauben, durch die Hinwendung zu den Erniedrigten und zum Leiden, zum Kreuz eben.

Der Pastor, der Paulus‘ Philipperbriefe an vier aufeinander folgenden Sonntagen auslegt und auslegen läßt, ist selbst bis hinauf zur tonsurartigen Silberkopf-Frisur - so'n richtiger Lutheraner vom Urgestein. Des Renegaten Paulus Judenfeindlichkeit ist ihm so wenig ein Problem, wie sie es Luther war, da ist er nicht historisch nachtragend und „nicht zimperlich“. Wendet auch die explizit judenfeindliche Spitze des Paulus multifunktional gegen Katholiken (Werkgerechtigkeit) und die spätcalvinistische „Leistungsgesellschaft“.

Abe immer noch sind die Teufel nicht alle genannt, von denen die Welt voll ist. Paulus gibt das Stichwort: Feinde des Kreuzes Christi sind die, deren „Gott der Bauch ist“. Das ist nun noch ein bißchen mehr als Leistungsgesellschaft, das ist das ganze Sicheinrichten in „Luxus, Wohlstand, Freizeit“, das ist der „Tanz ums Goldene Kalb“. Und den tanzen die Besucher um's Kreml-Gold genau wie Gorbi und all die Aussiedler. Sie tanzen um den „praktischen Materialismus“ des Goldenen Westens.

Der mainstream, der ganze welthistorische Veränderungsprozeß, für diesen knorrigen Lutheraner ist das alles: forget it, es ist dem „Gott Bauch“ gehuldigt. Und besinn Dich darauf, daß die Welt noch unter dem Kreuz ist, daß Christ im Stall geboren und ans Kreuz genagelt wurde und daß Christentum mit Armut, Leiden und Tod zu tun hat, und daß wer's glaubt, in den Himmel kommt.

Das ist denn schon wieder so hemmungslos altmodisch und gegen den Rest der Welt, daß es einer bald imponieren möcht.

Uta Stolle