Koenigs: „Ich bin doch nicht der Abfalldepp“

Mit der Schließung der Frankfurter Deponie Buchschlag kommt der Müllnotstand in Südhessen / Umlandverband (UVF) will täglich 160 Lastwagen mit Müll in die DDR schicken / Grüner Umweltdezernent der Stadt Frankfurt bietet den Bau einer Umladestation an  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Der neue Umweltdezernent der Stadt Frankfurt, der Grüne Tom Koenigs, will nicht der „Abfalldepp“ sein, wenn in Südhessen der Müllnotstand ausgerufen werden muß. Das Datum für den Ausnahmezustand steht schon fest: Am 31.Dezember dieses Jahres ist die Frankfurter Hausmülldeponie Buchschlag, auf die das gesamte Frankfurter Umland bislang seinen Müll karren ließ, dicht.

Dabei ist seit Jahren bekannt, daß die Deponie Buchschlag zum Jahresende 89 wegen vollständiger Auslastung die Abfallpforten schließen wird. Doch weder der bislang zuständige Umlandverband Frankfurt (UVF) noch der seit Mai auch für das Frankfurter Umland die Verantwortung tragende hessische Umweltminister Karlheinz Weimar (CDU) konnten bislang ein Alternativkonzept für die Müllentsorgung Südhessens vorlegen. Der UVF und der Umweltminister setzten auf die Fossiliengrube Messel als Müllschlucker und auf die geplante Müllverbrennungsanlage (MVA) im Frankfurter Osthafen. Doch Messel wurde den Abfallstrategen von den Verwaltungsgerichten aus der Planung gekippt - und gilt seitdem als politisch nicht mehr durchsetzbar. Und die Realisierung der MVA-Osthafen scheitert an den Konzessionen, die von den Christdemokraten an den sozialdemokratischen Koalitionspartner im UVF gemacht werden mußten: „Keine weitere Verbrennungsanlage auf Frankfurter Stadtgebiet.“

Den „schwarzen Müll-Peter“ hatte sich Umweltminister Weimar im Frühsommer mit der Novellierung des Landesabfallgesetzes selbst in die Karten gemischt. Falls Kommunen und/oder Landkreise ihre Abfallprobleme nicht in den Griff bekommen sollten, geht zukünftig die Zuständigkeit für die müllpolitischen Zukunftsentscheidungen direkt auf den Minister über. Und der Mann, der noch zu Zeiten der rot -grünen Landesregierung in Wiesbaden den damaligen Umweltminister Joschka Fischer (Grüne) als „Müllkutscher“ bezeichnete, weil er hessischen Müll nach Frankreich und in die DDR verfrachten ließ, will nun selbst den Müllexport kräftig ausweiten. Zusammen mit dem UVF erarbeitete Weimar einen aus der Not geborenen „Entsorgungsplan“: Täglich sollen ab 1990 etwa 160 Lastwagen mit dem Müll von zirka 1,5 Millionen Einwohnern des Frankfurter Umlands über die Autobahnen in die DDR fahren und ihre stinkende Fracht auf die Deponien Schöneiche und Schönberg kippen. Doch selbst diese, „bis maximal Ende 1992 begrenzte Notlösung“ läßt sich nur realisieren, wenn der Umweltdezernent der Stadt Frankfurt, Tom Koenigs, mitspielt. Denn der regional zuständige UVF hat keine Umladestation, wo der Müll von den Müllfahrzeugen auf Transportlastwagen umgeladen werden kann

-„und mit dem Müllauto kann man ja schlecht in die DDR fahren“ (Koenigs). Koenigs hat deshalb am Wochenende sowohl dem Umweltminister als auch dem UVF den Bau einer „provisorischen Umladestation“ angeboten, auf einem bislang mit Schlacke und Rückständen aus Müllverbrennungsanlagen belasteten Grundstück am Frankfurter Osthafen. Koenigs selbst hat nämlich ab 1990 auch Probleme mit den 30 Prozent des Frankfurter Hausmülls, die nicht in der stadteigenen Verbrennungsanlage vernichtet und dann nicht mehr nach Buchschlag gebracht werden können. Zwar glaubt der Dezernent mit einer Forcierung und Ausweitung der Getrenntsammlung und der anschließenden Wiederverwertung das Entsorgungsproblem mittelfristig in den Griff bekommen zu können, doch kurzfristig braucht auch der Müllexportgegner Koenigs eine „vertretbare Zwischenlösung“. Mit dem Angebot des Baus einer Umladestation will Koenigs auch politisch „vorbauen“. Minister Weimar und die Verantwortlichen aus dem UVF sollen im Januar nicht mit den Fingern auf den Dezernenten zeigen und behaupten können, eine vernünftige Zwischenlösung für die Müllprobleme sei von einem Grünen blockiert worden.

Weimars Ankündigung, den Müllexport spätestens Ende 1991 beenden zu wollen, hält Koenigs allerdings für „maulhuberisch“. Die Suche nach neuen Deponiestandorten in Südhessen gestalte sich seit Jahren schwierig. Und Anordnungen an andere Landkreise oder Kommunen, den Müll des Frankfurter Umlands auf ihren Kippen zu deponieren, würden auf den erbitterten Widerstand der Betroffenen stoßen. Entsprechende Pläne des Ministeriums, den Müll aus dem Großraum Frankfurt demnächst auf eine Wiesbadener Großdeponie verbringen zu wollen, haben bereits den dortigen Oberbürgermeister Exner (SPD) elektrisiert: Exner will sich quer vor seine Deponie legen, falls die Müllautos des UVF demnächst Wiesbaden ansteuern sollten.

Umweltminister Karlheinz Weimar hatte sich gestern noch nicht entschieden, ob er das Angebot des grünen Umweltdezernenten Tom Koenigs, eine Umladestation zu bauen, annimmt oder nicht. Koenigs hatte dem Minister eine „Bedenkzeit“ bis Ende dieses Monats eingeräumt. Koenigs: „Danach werde ich das hessische Müllchaos nicht mehr mitverwalten.“