Gipfeltreffen der Inuit aller Länder

Jahrelang durften die sibirischen Inuit nicht an der „Inuit Circumpolar Conference“ (ICC) teilnehmen / Jetzt sitzen sie an einem Tisch mit Inuit aus Alaska, Kanada und Grönland  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - Erstmals seit Gründung der „Inuit Circumpolar Conference“ (ICC), in der seit 1980 Inuit aus Alaska, Kanada und Grönland zusammenarbeiten, nimmt an dem Treffen in dieser Woche eine Delegation der sibirischen „Yuit“ teil. Zwar hatte es bereits 1988 erste Kontakte gegeben, trotzdem erwischte der Besuch die ICC kalt: nach ihren gültigen Statuten kann sie die sowjetischen „Stammesbrüder und -schwestern“ nicht als Mitglieder aufnehmen.

Waren früher die Kontakte zwischen den Inuit-Gruppen in Alaska und Sibirien relativ entwickelt, so untersagte die UdSSR 1948 jeglichen Austausch über die Bering-Straße hinweg. Insgesamt, so frühere ICC-Schätzungen, leben in der Sowjetunion 3.000 Inuit. Neuerdings schlägt sich die Organisation mit Definitionsproblemen herum: Von den im Moskauer Volkskongress vertretenen 26 Polarvölkern, in deren Gruppe auch die Yuit arbeiten, seien nämlich längst nicht alle Inuit. Aber nur sie dürfen ICC-Mitglieder werden. Aus Angst, in der Inuit-Organisation gegenüber anderen Polarvölkern in die Minderheit zu geraten, hat das ICC -Sekretariat dem Kongreß vorgeschlagen, den Sowjets zunächst nur einen Beobachterstatus zuzubilligen.

Zur Debatte bei dem Kongreß steht auch ein Manifest zur gemeinsamen arktischen Politik gegenüber den Regierungen. Dieses Manifest, das die Forderungen nach Selbstbestimmungsrecht und Anerkennung des Eigentumsrechtes an den Bodenschätzen enthält, liegt seit drei Jahren buchstäblich auf Eis. Beim letzten Kongreß 1986 vertagte man die Abstimmung. Die grönländische Delegation war nämlich zerstritten über den sicherheitspolitischen Abschnitt des Textes. Darin heißt es, daß jede Form von Abwehreinrichtungen für ballistische Raketen unvereinbar sei mit dem Gedanken einer defensiven Verteidigung und atomwaffenfreien Zone in der Arktis.

Das zielt haarscharf gegen die US-Basis im grönländischen Thule, deren militärische Offensiv-Zwecke seit Jahren erwiesen sind. Die grönländische (sozialdemokratisch orientierte) Regierung indes scheut den Konflikt mit USA und NATO. Entsprechend sauer stieß die Formulierung den sozialdemokratischen ICC-Delegierten auf. Nach Angaben der dänischen Zeitung „information“ stehen jetzt erneut die gleichen Sätze zur Abstimmung.

Ein weiterer wichtiger Punkt in der noch bis zum Wochenende andauernden Debatte wird der Vorschlag des grönländischen Ministerpräsidenten Jonathan Motzfeldt sein, Grönländisch als gemeinsame Schriftsprache in der arktischen Region einzuführen. Seit Knut Rasmussens Forschungsreisen Anfang dieses Jahrhunderts ist bekannt, daß die rund 100.000 Inuit eine gemeinsame Sprache mit allerdings stark differierenden Dialekten reden. Nur die Grönländer entwickelten eine eigene Schriftsprache.