Mieser Politikstil

■ Zum Glücksspielskandal der Berliner Frauensenatorin

Eine Posse hat sich in der sommerlichen Saure-Gurkenzeit zu einem politischen Skandal hinaufgespielt: Die Glücksspielleidenschaft der Berliner Jugend- und Frauensenatorin. Nun frönen in diesem Land dieser Leidenschaft Millionen. In den Zockerrunden genauso wie in den vollelektronischen Spielhöllen oder den nochnoblen Casinos. Hundertausende bibbern zweimal in der Woche den Lottozahlen entgegen. Und an dieser Massensucht verdient sich der Staat dumm und dämlich. Die „Pilotin“ Anne Klein soll als Senatorin nun allerdings nicht mehr tragbar sein. Von Seiten der CDU ist das Spiel leicht zu durchschauen. Da lauten die Regeln: Haut die rot-grüne Koalition wo ihr sie trefft. Und: alle Mittel sind erlaubt. Das ist Politik und sollte keineN verwundern.

Sehr zu denken geben allerdings die Reaktionen aus der AL. Anstatt sich eindeutig hinter ihre Senatorin zu stellen, den Angriff als Schmierentheater abzuwehren, wurden dort Bedenken und Distanz deutlich. Es entsteht der Eindruck, die AL wolle sich als Saubermannpartei profilieren. Natürlich: Das inkriminierte Spiel ist moralisch umstritten und hat in Berlin schon einmal die Gemüter erhitzt. Aber: Es ist ein Spiel kein Betrug, die Teilnahme ist freiwillig und die Beteiligten sind sich über ihre Gewinn- bzw. Verlustchancen im Klaren.

Der Unmut gegenüber Anne Klein sitzt tiefer. Es ist ein offenes Geheimnis, daß viele - innerhalb wie außerhalb der AL- über ihre Wahl zur Frauen- und Jugendsenatorin nicht mehr glücklich sind. Es heißt, sie habe einfach zu wenig Erfahrung und Führungsstil, um dieses Amt richtig zu leiten. Hinzu kommt die ständige Anmache von allen Seiten, die Senatorin konzentriere sich zu eindimensional auf die Frauen und vernachlässige die anderen Ressorts ihrer Verwaltung, Jugend und Familie.

Die Koalition hat nicht nur das Frauenressort gewollt sondern auch einen anderen Politikstil. Man hängte sich aus dem Fenster mit dem neuen „Feminat“. Nur funktionieren soll es nach den alten Regeln. Die mit institutionalisierter Politik kaum vertraute Anne Klein ist das schwächste Glied in der Kette. Wenn ihre Arbeit tatsächlich so ungenügend sein sollte, daß man sie loswerden will, muß dies nachgewiesen und darüber öffentlich diskutiert werden. Sie jetzt auf diese Weise bruchlanden zu lassen, wäre miesester „Politikstil“.

Ulrike Helwerth