„Kein simples Glücksspiel“

Harald Wolf, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der AL, zur Affäre Anne Klein  ■ I N T E R V I E W

taz: Harald, ihr habt gestern auf dem Delegiertenrat beschlossen, Anne Klein nach Berlin zu zitieren, damit sie der Partei in der Glücksspielsache Rede und Antwort steht. Ist das nicht etwas übertrieben?

Harald Wolf: Der wesentliche Grund, warum wir sie gebeten und nicht zitiert haben, ist, daß wir davon ausgehen, daß die öffentliche Auseinandersetzung um diese Frage weiter anhält und es notwendig und sinnvoll ist, daß die Senatorin sich direkt der öffentlichen Kritik stellt und in die Diskussion um ihre Person hier in der Stadt eingreift.

Die CDU hat es geschafft, in der Saure-Gurken-Zeit aus einer Posse einen politischen Skandal zu machen. Seid ihr dieser Taktik nicht auf den Leim gegangen?

Nein. Das Pilotenspiel problematisch zu finden, ist eine Sache. Etwas anderes ist es, Anne Klein in diffamatorischer Absicht wegen ihrer Teilnahme zur notorischen Spielerin zu erklären, wie die CDU dies versucht. Wienhold und Landowsky sollten sich lieber um die wirkliche Spielproblematik in der Stadt kümmern.

Ihr habt gestern auf eurer Versammlung darüber diskutiert, wie moralisch verwerflich die Teilnahme an diesem Spiel ist. Welche Argumente sind gefallen?

Wir gehen davon aus, daß es sich dabei nicht um ein simples Glücksspiel handelt, sondern daß dabei Leute zur Teilnahme überredet werden müssen. Letztlich sind die hinten in der Schlange die Gelackmeierten. Das halten wir für wenig sozial und für kritikwürdig. Denn da werden Mechanismen dieser Gesellschaft reproduziert, die wir bekämpfen: Das Gewinnstreben einzelner auf Kosten vieler. Als dieses Spiel hier in der Stadt en vogue war, gab es schon einmal eine große öffentliche Debatte in der Szene.

Habt ihr mal abgecheckt, wieviele Leute aus euren Reihen selbst bei diesem Spiel mitgeflogen sind? Mir kommt es vor, als ob die AL auf öffentlichen Druck hin nun die Saubermann -Partei markiert.

Wir fangen jetzt natürlich keine Recherche an, wieviele Leute aus der AL sich an diesem Spiel beteiligt haben. Man kann davon ausgehen, daß es eine ganze Reihe waren. Der Vorwurf der Saubermann-Partei ist an diesem Punkt nicht stichhaltig, weil wir ja nicht den moralischen Zeigefinger schwingen, sondern sagen, daß wir das Spiel problematisch finden und das öffentlich diskutieren wollen.

Die AL hat sich bisher nicht eindeutig hinter ihre Senatorin gestellt. Ist diese Geschichte nicht vielleicht ein willkommener Anlaß, diese sowieso nicht unumstrittene Frau loszuwerden, ohne daß man sich mit ihr politisch auseinandersetzen muß?

Von unserer Seite ist immer klar gesagt worden, daß in unserer Diskussion Rücktrittsforderungen nie zur Debatte standen. Ich bin auch der Auffassung, daß, wenn es politische Kritik an Anne gibt, diese auch politisch ausgetragen werden muß und nicht mit dieser CDU-Kampagne vermischt werden darf.

Interview: Ulrike Helwerth