Bonn bestreitet Beihilfe für Brasiliens Bombe

Erste schriftliche Stellungnahme zum umstrittenen Atom-Vertrag beschwichtigend und vieldeutig / Über Verlängerung des Vertrags wird bereits verhandelt / Opposition fordert Kündigung des Kooperationsvertrags mit Brasilien / Großsprecher Klein: SPD-Vorwürfe „Unfug“  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Die Bundesregierung steht weiterhin beinhart zur Atomkooperation mit Brasilien, obwohl sich in den vergangenen Wochen die Indizien mehrten, daß damit Beihilfe zur brasilianischen Atombomben-Entwicklung geleistet wird. Über eine Verlängerung des Kooperationsvertrags mit Brasilien, dessen Kündigung die Opposition fordert, wird bereits verhandelt. Nachdem die Vorwürfe der SPD von Regierungssprecher Klein als „Unfug“ abgetan wurden, will SPD-Chef Vogel jetzt dem Kanzler eine dringende Depesche in den Urlaub schicken.

In einer schriftlichen Stellungnahme auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Scheer äußert sich das Auswärtige Amt beschwichtigend und ausweichend. Seit „etwa 1982/83“ habe die Regierung Kenntnisse von dem sogenannten autonomen Nuklearprogramm Brasiliens, heißt es in dem Papier. Brasilianische Militärs haben zwar keinen Zweifel daran gelassen, daß dieses autonome Programm außerhalb der internationalen Kontrollen dazu dient, zumindest eine Atombombe zu testen. Im Auswärtigen Amt will man jedoch als militärischen Zweck dieses Programms offiziell nur den Nuklearantrieb für brasilianische U-Boote sehen. Und von einem „Mißbrauch deutscher Technologie“ durch das brasilianische Militär sei ohnehin „nichts bekannt“.

Dabei sprechen die Akten des Auswärtigen Amts eine andere Sprache. Im September 1988 vermerkte die Behörde: „Wir müssen darauf achten, daß (...) keine von uns gelieferte Technologie den bisher gültigen IAEO-Kontrollen entzogen wird.“ (IAEO: Internationale Atomenergiebehörde in Wien, d.Red.) Die Befürchtung, daß das in der BRD ausgebildete brasilianische Fachpersonal in den militärischen Bereich abwandert, wurde gleich mehrfach festgehalten und führte zu kontroversen Diskussionen mit den brasilianischen Vertragspartnern. Bei einer Baustellenbesichtigung vor Ort berichteten bundesdeutsche Firmenmitarbeiter bereits im Oktober 1987 den Bonner Abgesandten, man wisse die Namen der militärisch tätigen Wissenschaftler.

Auf die Frage, wie die friedliche Verwendung bundesdeutscher Technologie garantiert werde, nachdem in Brasilien 1988 das zivile Atomprogramm mit dem militärischen organisatorisch verschmolzen wurde, findet das Auswärtige Amt keine klare Antwort. Man sei sich „mit der brasilianischen Regierung einig“, daß diese Umstrukturierung „keine negativen Auswirkungen auf die bilaterale Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie haben kann und darf“, heißt es vieldeutig. Derzeit würden mit Brasilien Gespräche geführt über die Abgrenzung des zivilen Atomprogramms vom militärischen, erläuterte ein AA -Sprecher ergänzend. Gleichzeitig gehe es aber auch bereits um die Voraussetzungen für eine Verlängerung des Kooperationsvertrags. Wenn dieses Regierungs-Abkommen nach 15 Jahren Laufzeit nicht bis zum 18.November gekündigt wird, verlängert es sich automatisch bis 1995.

Die SPD-Fraktion will das Kündigungs-Begehren nach der Sommerpause in den Bundestag einbringen und Bundeswirtschaftsminister Haussmann sowie AA-Chef Genscher vom Atom-Untersuchungsausschuß vernehmen lassen.