Uran-Coup im Kunkelbachtal

Trotz Ankündigung der Grubenstillegung: Bei Menzenschwand im Südschwarzwald wird mehr Uranerz gefördert als je zuvor / Nach Schließung der Skandal-Anlage in Ellweiler wird jetzt in der CSSR aufbereitet / Der französische Atomkonzern Cogema verdient mit  ■  Vor Ort Thomas Scheuer

Im Wonnemonat Mai schien im Kunkelbachtal am Fuße des Feldbergs die Welt wieder in Ordnung: „Kein Uranabbau im Schwarzwald - Bergwerksgesellschaft Brunhilde gibt umstrittenes Projekt in Menzenschwand endlich auf“, titelte etwa die taz, „Südbaden frei von Atomanlagen“, so die Schlagzeile der Basler Zeitung. Die Bürgerinitiativen der Region jubelten. Die im niedersächsischen Uetze ansässige Bergwerksgesellschaft „Gewerkschaft Brunhilde“ hatte angekündigt, ihre in der Nähe des Dörfchens Menzenschwand in einem Landschaftsschutzgebiet gelegene Urangrube bis 1990 zu schließen. Der jahrzehntelange politische und juristische Streit um den dortigen Uranabbau schien begraben.

Die „Gewerkschaft Brunhilde“ - der Name leitet sich vom Wort „gewerken“ der Bergmannssprache ab - gehört der skandalträchtigen „Urananlage Ellweiler“ in Rheinland-Pfalz. Besitzer beider Firmen ist der 49jährige Ingenieur Wolfgang Hamma. In Ellweiler, der einzigen Anlage dieser Art in der BRD, wurde das Uranerz aus dem Südschwarzwald zu einem Konzentrat, dem sogenannten „Yellow Cake“ aufbereitet, dem Ausgangsprodukt für die Herstellung atomarer Brennelemente.

Dubiose Uranklitsche

Hammas Anlage in Ellweiler gehört zu den ganz dubiosen Klitschen im bundesdeutschen Atombusiness: Immer wieder tauchte ihr Name im Zusammenhang mit Skandalen auf. Mal fanden Fahnder auf dem Werksareal „blaue, fast durchgerostete Fässer“ (so ein Polizeiprotokoll) mit Uranerz aus dem afrikanischen Niger, das im Rahmen einer großen „Swapping„-Aktion umdeklariert worden war; mal machten Wissenschaftler unerlaubt hohe Radioaktivität in Abwasser und Abfällen der Firma aus. Die Geschäftsverbindungen mit der in den Hanauer Atomskandal verwickelten Firma Eurochemique im belgischen Mol etwa reichen bis in die frühen siebziger Jahre zurück.

Nicht zuletzt wegen stark überhöhter Strahlenwerte in den Abraumhalden verfügte das rheinland-pfälzische Umweltministerium im Mai dieses Jahres die Schließung der Ellweiler Uranklitsche. Auch die Förderung in der Menzenschwander Grube wurde im Mai vorübergehend eingestellt, schließlich gar ihre endgültige Stillegung bis 1990 angekündigt.

Doch neuerdings wird in Menzenschwand, unbemerkt von der Öffentlichkeit, wieder rege gebuddelt, und zwar mehr als je zuvor: Allein 15.000 bis 20.000 Tonnen Uranerz sollen noch in diesem Jahr bis Wintereinbruch aus dem Berg geholt werden. Das ist rund doppelt so viel wie im ganzen letzten Jahr. Dabei besitzt die Firma für das Uranvorkommen nach wie vor nur eine sogenannte Explorationsgenehmigung, d.h. sie durfte nur so viel Uran aus dem Granit sprengen, wie zur Erforschung und Erschließung des Vorkommens sowie die Unterhaltung der Stollen nötig war.

Rege Buddelei

in Menzenschwand

Seit über sechs Jahren schon liegt Wolfgang Hamma mit der baden-württembergischen Landesregierung im Rechtsstreit um eine reguläre Abbaukonzession. Zwar hängt dieses Verfahren mittlerweile in dritter Instanz beim Bundesverwaltungsgericht. Doch ein zwischen der Firma und der Stuttgarter Landesregierung ausgehandelter Vergleich gewährt jetzt der „Brunhilde“ günstigere Konditionen als jede reguläre Genehmigung. Danach darf die Firma nämlich vor der endgültigen Schließung der Grube noch alles Uranerz abtransportieren und aufbereiten lassen, welches in der Grube bereits freigelegt oder gebrochen ist. Damit soll einer Grundwasserverseuchung durch Ausschwemmen radioaktiver Teilchen vorgebeugt werden, einer Gefahr - die bisher immer vehement bestritten wurde. Offiziell darf die „Brunhilde“ ihr Uranbergwerk quasi noch ausräumen. Da aber kein Mensch weiß, wieviel Erz in den kilometerlangen Stollen bereits freiliegt, kann die Firma de facto in Menzenschwand noch so viel Uran abbauen, wie sie will. Denn eine Mengenbegrenzung, wie sie eine Abbaukonzession wohl enthalten hätte, sieht der Vergleich offenbar nicht vor.

Die Urangräber von Dr. Hammas bremst das keineswegs. Vorletzten Freitag verließen die ersten fünf Waggons mit Schwarzwälder Uran den kleinen Bahnhof von Seebrugg am Schluchsee (dorthin wird das Erz mit dem LKW gekarrt) mit neuem Ziel: Midlowa in der CSSR. Denn in seiner amtlich stillgelegten Anlage Ellweiler kann Minenbesitzer Hamma das Material ja jetzt nicht mehr zu Yellow Cake aufbereiten. Dafür fand er einen neuen Kunden für das Erz: Die Saarbrücker Firma „Interuran GmbH“. Die gehört zu 75 Prozent der deutschen Filiale des französischen Atomkonzerns COGEMA; das restliche Viertel teilen sich die beiden baden -württembergischen Energieversorgungsunternehmen Badenwerk und Energieversorgung Schwaben. Die Interuran fördert im bayrischen Großschloppen selbst Uranerz (die Fortsetzung auf Seite 2

dortige Mine soll allerdings bald rekultiviert werden. Aufbereiten läßt die Interuran das Erz im Rahmen „langfristiger Zusammenarbeit“ schon seit rund fünf Jahren und zu äußerst günstigen Preisen, so Geschäftsführer Wolfgang Kersting zur taz, in der „Staatlichen Uranindustrie“ der CSSR. Dort könnte Hamma möglicherweise auch die 500 Tonnen Uranerz, die gegenwärtig noch in Ellweiler lagern, verar

beiten lassen und Ellweiler damit „entsorgen“. In welcher ihrer Uranmühlen die Tschechen, die mehrere eigene Uranminen betreiben und zu den führenden Yellow-Cake-Produzenten Europas zählen, das Erz aus dem Kunkelbachtal verarbeiten, wisse man in Saarbrücken nicht. Geliefert werde per Bahn an die zentrale Sammel- und Umschlagstelle in Midlowa. Das Konzentrat kommt dann in die BRD zurück.

Die Bürgerinitiative gegen den Uranabbau im Südschwarzwald fordert nun, so erläuterte deren Sprecher Peter Diehl der taz, die endgültige Grubenschließung zum angekündigten Zeitpunkt. Außerdem verlangt sie ein unabhängiges Gutachten darüber, wie die Uranmine ohne Gefahren für die Umwelt stillgelegt werden kann sowie unabhängige Kontrollen der bereits angeschnittenen Erzadern und der schon gebrochenen Erzmengen.