Bankett der Gotteslästerer

■ BBC läßt Voltaire, Moliere, Omar Khayyan und Lord Byron Salam Rushdies „Satanische Verse“ preisen / Erzbischof von Canterbury ist empört

Die Einschaltquoten der BBC-Dramaserie „Byline“ waren am Montag abend höher als gewöhnlich. Das lag jedoch nicht an der Qualität des Stücks, sondern an dem Versuch des Erzbischofs von Canterbury, Dr. Robert Runcie, die Ausstrahlung zu verhindern. Runcie ließ der BBC durch seinen Berater John Lyttle mitteilen, daß er eine Verschiebung der Sendung „auf einen weniger sensiblen Zeitpunkt“ wünsche.

Das Stück „The Blasphemers‘ Banquet“ (Das Bankett der Gotteslästerer) von Tony Harrison spielt in einem indischen Restaurant der mittelenglischen Stadt Bradford. Am Bankett in der „Bombay Brasserie“ nehmen Voltaire, Moliere, Omar Khayyam und Lord Byron teil, die allesamt in ihrer Zeit der Gotteslästerung beschuldigt wurden.

Der Inhalt des Stücks ist schnell erzählt: Die illustren Gäste preisen in Versform Salman Rushdies Buch Die satanischen Verse für „seine Brillianz und Blasphemie“. Zum Schluß erheben sie ihre Gläser und trinken auf den indischen Autor, der - so hoffen sie - in seinem Londoner Versteck vor dem Fernseher sitzt.

Rushdie, der seit Chomeinis Morddrohung untergetaucht ist, hat sich zu Harrisons Drama bisher nicht geäußert. Runcie meinte jedoch, daß das Stück Rushdie schaden könnte. Er erklärte allerdings nicht, was Rushdie außer der Morddrohung sonst noch widerfahren sollte. Außerdem werde das gotteslästerliche Bankett die ohnehin schon schlechten Beziehungen zwischen Moslems und Christen in Großbritannien weiter belasten, glaubt der Erzbischof. Darin geben ihm die acht britischen Ober-Moslems Recht und bedankten sich für die Intervention. Hesham El Essawy, Vorsitzender der „Islamischen Gesellschaft für die Förderung religiöser Toleranz“, sagte am Dienstag: „Der Film steigert die Bitterkeit der Moslems und vergrößert den Rassenhass auf Moslems.“ Runcies Berater Lyttle befürchtet, daß die Ausstrahlung des Films einen Tag nach der Wahl Rafsandschanis zum iranischen Präsidenten die britische Geisel Terry Waite gefährden werde. Waite war 1987 als Gesandter Runcies in den Libanon geschickt worden, um über die Freilassung der Geiseln zu verhandeln, wurde aber kurz nach seiner Ankunft selbst gefangengenommen.

Die BBC reagierte auf Runcies Appell lediglich mit einer kurzen Pressemitteilung. Man habe den Inhalt des Stücks sorgfältig abgewogen und sich von Personen innerhalb und außerhalb der BBC genauestens beraten lassen. Der britische 'Independent‘ begrüßte die Entscheidung der BBC, das Drama trotz Runcies Bedenken zu senden. Schließlich sei die BBC „eine Säule der liberalen Gesellschaft“ Großbritanniens. Runcies Versuch, die Sendung des Films zu verhindern, stünde in traurigem Gegensatz zu seiner eigenen Predigt vor drei Wochen. Damals hatte Runcie in einem Rundumschlag Fundamentalisten im Nahen Osten, in Nordirland und in Israel scharf angegriffen und gesagt, ihre Hände seien „mit Blut befleckt“.

Der Besitzer der „Bombay Brasserie“, in der der Film gedreht wurde, beschwerte sich am Dienstag, daß die BBC ihn über den Inhalt des Stücks vollkommen im Unklaren gelassen habe. Der 29jährige Abdul Rob sagte: „Ich hätte niemals die Erlaubnis für die Filmaufnahmen gegeben, wenn ich gewußt hätte, daß Rushdie in dem Stück erwähnt wird. Ich bin sauer auf die BBC und habe Angst um meine Familie und mein Restaurant.“

Ralf Sotscheck