60 WAYS TO KILL YOUR LOVER

■ Giftpflanzen in Spandau

Ab-Bilder sind zum Glück nicht giftig. Womöglich hätte ich bei leibhaftiger Präsenz der Exponate wegen Zitterns, Krämpfen, Atemnot, von -stillstand ganz zu schweigen, gar nicht mehr den Weg aus der Amtstür vom Spandauer „Haus der Gesundheit“ gefunden.

In dessen Vorhalle - Foyer wäre ein zu edles Wort für die trostlosen Amtsgewölbe und -flure - ist zur Zeit die Ausstellung „Giftpflanzen“ zu sehen. Der Ort der Hängungen macht schon klar, daß der Auftrag der Demonstrationen ein medizinisch-pädagogischer ist: Eltern und Kinder, habt acht in den Ferien; überall lauert der Tod. Oder mit den beherzteren Worten des Gesundheitsamtes in einer Art bürokratischer Neudeutung des Kantischen Imperativs vom interesselosen Wohlgefallen: „Diese Sachinformation soll Sie aber nicht von den erwähnten Pflanzen fernhalten. Lassen Sie nur die nötige Vorsicht walten, und erfreuen Sie sich weiterhin an den Schönheiten der Natur, zu denen schließlich auch giftige Pflanzen gehören.“

Dementsprechend kunstkarg ist die Präsentation: Fotos und Schrifttafeln an mehreren Wänden. Rotes G steht für „geschützte Pflanze“, grünes H für „Heilpflanze“, ein + heißt ein bißchen giftig, zwei ++ ziemlich giftig, und drei +++ erübrigen die Erläuterung.

Dreikreuzler sind uns mindestens als Mythos aus Kinder/Elternwarnzeiten immerhin bekannt: bloß nicht Fingerhut, Lupinen, Goldregen in Nase, Mund, Ohren etc. stopfen. Keine Bohnen roh essen. Die blattlose Herbstzeitlose (+++) war ganz böse; und kleine Mädchen pflückten lieber keine Maiglöckchen. Bei letzteren verfällt die Infotafel übrigens in ein bemerkenswert mittelalterliches Hexenhammer-Hörensagenraunen: „Bekanntgeworden ist ein Todesfall bei 5jährigem Kind, das Wasser trank, in dem ein Maiglöckchenstrauß stand“.

In Drogenzeiten und -kreisen wurden später andere Pflanzen berühmt - als umsonst-und-draußen-Fliegemittel nämlich. Die Tollkirsche hieß da nicht mehr Tollkirsche, sondern Belladonna und verhalf einem Freund unseres Hauses zum Beispiel in Form von 50 Samenkörnern zu folgendem Alptraum: der Feministinnenhasser sah eine radikale Frauengruppe mit nacktem Neger und zwei Pudeln bei uns im Garten stehen. Er hat dann die Körnerzahl später reduziert.

Richtig spannend war aber die Abteilung der gemeinen oder auch Allerweltsgrünpflanzen. Da wuchert offenbar der grüne Tod in allen Wohnzimmern. Die komplizierten Exotennamen habe ich zum Teil vergessen, die gezackten, gefleckten, durchlöcherten, gestreiften, schmalen, fiedrigen, runden Blätter auf den Fotos waren hassenswert unverkennbar: die Zimmeraralie und die Dieffenbachie, die Anthurie (mit rot -obszöner Wurmfortsatzblüte), die gleich häßlichen Yuccapalmen und Weihnachtssterne, das Fensterblatt („monstera“) und das delikate Fensterblatt („monstera deliciosa“), kurz: eine geballte sanfte Armee.

Im Garten und auf dem Balkon scheint es allerdings kaum anders auszusehen: Da bergen die harmlosesten Schönheiten Unheil: Primeln, Krokusse, Begonien, Hyazinthen, Eisenhut und Alpenveilchen („trotz relativ hoher Giftigkeit kommen schwere Vergiftungsfälle selten vor, da unterirdische Teile selten verzehrt werden“, tröstet die Amtsprosa in unbestechlicher Logik) sind nicht so wie sie aussehen. Selbst Tulpen ist nicht zu trauen: „Beim Verzehr von Tulpenzwiebeln kommt es selten zu Vergiftungen. 5 Zwiebeln pro Tag sollen nur geringe Magen-Darm-Störungen hervorrufen“. Zu diesem Zeitpunkt selber schon halbtot vom Lesen beruhigt mich erst der Gedanke, daß fünf Thunfischdosen vermutlich dengleichen Erfolg hätten. Aber wer schafft die schon auf einmal.

Und so ist es wie immer: alles Lebendige führt zum Tode. Heil und Unheil sind eine Frage der Menge. Oder nach Paracelsus: „Allein die Dosis macht, daß ein Ding kein Gift sei“. Zum Schluß zwei Tips für floralen Abgang: 1.der exklusive und teure mit 15Gramm Safran, 2.der billige, aber philosophische mit Schierling, der auf jeder Wiese wächst.

CD