An der Contra scheiden sich wieder die Geister

Zentralamerikagipfel in Honduras / Während Nicaragua seine Auflagen des Friedensplans erfüllte, ist die geplante Auflösung der Contra keinen Schritt vorangekommen / Cristiani fordert Entwaffnung der salvadorianischen Guerilla / Rege US-Diplomatie im Vorfeld  ■  Aus Tegucigalpa Ralf Leonhard

Das tropische Strandbad Tela im Norden der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa ist ab heute Schauplatz des fünften Gipfeltreffens zentralamerikanischer Staatschefs. Zwei Jahre nach der Unterzeichnung des Friedensplanes Esquipulas II steht den Präsidenten diesmal ein besonders schweres Wochenende bevor. Denn nun gibt es einen neuen Akteur, nämlich den ultrarechten Alfredo Cristiani, der seit 1.Juni über El Salvador regiert. Cristiani droht das Treffen zum Scheitern zu bringen, weil er die längst beschlossene Auflösung der nicaraguanischen Contras an die Entwaffnung der salvadorianischen Guerilla knüpfen will.

Die „Demobilisierung, Repatriierung oder Aussiedlung in Drittländer der Mitglieder des Nicaraguanischen Widerstandes“ war die Schlüsselbestimmung des Abkommens, das die fünf Präsidenten Mitte Februar auf dem Gipfel von Costa del Sol in El Salvador unterzeichnet hatten. Nicaraguas Daniel Ortega hatte im Gegenzug unter dem Stichwort Demokratisierung die Vorverlegung der Wahlen, die Freilassung der ehemaligen Mitglieder der Nationalgarde Somozas und die Flexibilisierung des Wahl- und Mediengesetzes versprochen. Diese Punkte sind inzwischen erfüllt worden. Die Staatschefs hatten sich damals eine Frist von 90 Tagen gesetzt, um einen Durchführungsmechanismus für die Auflösung der Contralager in Honduras zu entwerfen. Diese Frist ist Mitte Mai ungenützt verstrichen.

Daß an diesem Wochenende in Tela die Demobilisierung der Contras konkretisiert werden soll, ist für alle Beteiligten klar. Die Frage ist nur, wann den „Freiheitskämpfern“ die Stunde schlägt. Wenn es nach Nicaragua und dem Wortlaut des letzten Gipfelabkommens geht, dann müssen nur noch die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Für US -Präsident Bush, der seine Position vor allem durch die Regierungen von Honduras und El Salvador vertreten weiß, kann vor dem 25.Februar 1990 nicht an Demobilisierung gedacht werden. Denn erst mit den allgemeinen Wahlen in Nicaragua würde sich erweisen, ob das Land den Demokratieansprüchen Washingtons genüge.

Nicaragua hatte im März einen konkreten Vorschlag zirkulieren lassen, der damals das grundsätzliche Placet der honduranischen Armee und Regierung fand. Wenig später tauchten Hindernisse auf. Im April genehmigte der Kongreß in Washington über 60 Mio. Dollar „humanitärer“ Hilfe, um die Contras als intakte Streitmacht über die Runden zu retten. Und wie vor jedem Präsidententreffen in Zentralamerika entwickelte die US-Regierung auch diesmal rege Reisediplomatie, um ihre Verbündeten auf eine gemeinsame Position gegen Nicaragua einzuschwören. Die Botschaft: Nicaragua muß weiter unter Druck gesetzt werden, damit die Opposition bei den Wahlen eine Chance hat.

Kurz darauf präsentierte der honduranische Präsident Jose Azcona Hoyo einen neuen Demobilisierungsplan, der die Schaffung einer internationalen Verifizierungskommission vorsieht, die erst prüfen müsse, ob Nicaragua ausreichende Garantien für die Repatriierten biete. Erst wenn der Bericht vorliege, sollten die Präsidenten „die Contras bitten, die von ihnen vorgeschlagene Frist zu akzeptieren“. Der Plan will, ohne es ausdrücklich zu sagen, die Demobilisierung um Monate hinausschieben.

Die nicaraguanische Regierung hat Honduras den Rückzug der Klage vor dem Internationalen Gerichtshof angeboten, wenn sie die Demobilisierung der Contra nicht weiter verzögert. Auf den Cristiani-Vorschlag werden die Sandinisten auf keinen Fall eingehen. Während Napoleon Duarte das El Salvador-Problem immer aus den Diskussionen ausklammern wollte, weil weder die vom Friedensplan geforderte nationale Versöhnung noch der Dialog mit den Rebellen Fortschritte macht, ist Cristiani in die Offensive gegangen. Er will aus der FMLN, die gerade wieder eine Großoffensive in allen Landesteilen lanciert hat, ein internationales Problem machen und damit Verhandlungen mit den Rebellen ausweichen.