Atomtransporte: Fünfmal täglich nach Konrad

„Gesellschaft für Reaktorsicherhei“ rechnet mit 137.550 „strahlenden Transporteinheiten“ zum Lager Konrad bei einer erwarteten Betriebsdauer von 40 bis 50 Jahren / Hohe Strahlenbelastung der Bahnarbeiter schon bei „unfallfreiem Transport“  ■  Aus Hannover H.-J.Koch

Wenn die bundesdeutschen Endlager für radioaktive Abfälle irgendwann ihren Betrieb aufnehmen, kommt der Verkehr auf Schiene und Straße erst so richtig in Schwung. Die Atommülltransporteure gehen goldenen Zeiten entgegen. Dies geht aus den vorläufigen Ergebnissen einer Studie über die zu erwartenden Atomtransporte zum Endlager Konrad bei Salzgitter hervor, an der gegenwärtig die „Gesellschaft für Reaktorsicherheit“ (GRS) in Köln im Auftrag des Bundesumweltministeriums arbeitet.

Reaktorminister Töpfer gab das Gutachten in Auftrag, nachdem die Anti-AKW-Bewegung nach dem Transnuklear-Skandal begonnen hatte, die Problematik der Atomtransporte zu thematisieren und die in Hannover ansässige „Gruppe Ökologie (GÖK)“ für verschiedene Anlieger-Kommunen Studien über die Gefahren radioaktiver Transporte angefertigt hatte. Die GRS -Stellungnahme soll den künftigen Betreibern des Endlagers Konrad nach Wiederaufnahme des augenblicklich unterbrochenen Genehmigungsverfahrens als Argumentationshilfe dienen.

Bei ihren vorläufigen Abschätzungen kommt die GRS auf eine Gesamtzahl von 137.500 strahlenden „Transporteinheiten“ - je Einheit ein Container oder ein bis drei Beton- bzw. Gußbehälter, die in der erwarteten Betriebsdauer von 40 bis 50 Jahren zum Lager Konrad geschafft werden sollen. Das macht 1.360 Eisenbahnwaggons und 680 LKWs pro Jahr. Durchschnittlich drei Bundesbahnwaggons und zwei LKWs werden also durch die Bundesrepublik und auch aus dem französischen La Hague Richtung Salzgitter unterwegs sein. Für die an der Bahnstrecke zum Schacht Konrad kurz vor Braunschweig gelegene Gemeinde Vechelde hält die GÖK die doppelte Zahl von Transporten für realistisch. Besonders hart wird es auch die Bevölkerung in der Region Hannover und Braunschweig treffen. Die GRS-Studie wörtlich: „Der Laufweg der Abfallwaggons führt ... nahezu ohne Ausnahme über die Rangierbahnhöfe in Hannover/Seelze und Braunschweig.“

Auf die Frage nach der radioaktiven Belastung von Bahnarbeitern durch die Strahlung aus den Abfallbehältern räumt der zuständige GRS-Sachbearbeiter ein: „Es ist richtig, daß die Bahnarbeiter viel höher belastet sein werden als die normale Bevölkerung.“

Die Strahlenschutzverordnung erlaubt eine maximale Belastung der Bevölkerung von 30 Millirem pro Person und Jahr. Die „Gefahrgutverordnung Eisenbahn (GGVE)“ läßt an der Transportbehälter-Oberfläche allerdings 200 Millirem pro Stunde und in einem Meter Abstand zehn Millirem zu. Mit anderen Worten: Ein Bahnarbeiter kann und darf sich die für die „Normalbevölkerung“ zulässige Jahresdosis innerhalb von neun Minuten abholen, wenn er sich beim Rangieren eines Waggons direkt am Abfallcontainer aufhält oder innerhalb von drei Stunden, wenn er einen Meter Abstand hält. Alles was darüber hinausgeht, ist nach der Logik der Strahlenschutzverordnung gefährlich. Die Deutsche Bundesbahn wird in Zukunft hochgradig krebsverdächtige Arbeitsplätze anbieten.

Ein entscheidender Teil der Konrad-Expertise der GRS - der über die Folgen möglicher Unfälle beim Antransport des radioaktiven Mülls - steht noch aus. Die GÖK hat vorgerechnet, daß bei bestimmten Unfallszenarien, etwa einem Zusammenstoß mit anschließendem Brand, die Verstrahlung der Bevölkerung die amtlichen Störfallgrenzwerte weit übersteigen kann. Man darf gespannt sein, wie die Kölner Atomspezialisten zu anderen Ergebnissen kommen.