Köln will Roma-Familien abschieben

Abschiebungen von langer Hand geplant / Städtische Behörden legen zentrale Datei über Roma und Sinti an / Humanitäre Projekte entpuppen sich als Ablenkungsmanöver / Offener Widerspruch zur Landespolitik  ■  Aus Köln Albrecht Kieser

Sozial- und Ordnungsbehörden der Stadt Köln wollen heute der Öffentlichkeit Ergebnisse ihrer Roma-Politik vorlegen. Informanten aus der Verwaltung ließen im vorhinein durchblicken, daß die Leiter der beiden Ämter den Vollzug mehrerer Abschiebungen vermelden wollen. Vorgeworfen wird den etwa zehn betroffenen Familien, daß ihre Kinder Taschendiebstähle und ähnliche kleinkriminelle Delikte begangen hätten. Eine gerichtliche Überprüfung der polizeilichen Beschuldigungen gegen die Kinder hat nicht stattgefunden. Auch gegen ihre Eltern, denen die Kölner Stadtverwaltung Verletzung ihrer Aufsichtspflicht vorwirft, wurde nicht ermittelt.

Seit drei Jahren haben die Behörden immer wieder versucht, möglichst viele der etwa 600 heimatlosen Roma in Köln loszuwerden. Das konnte bislang die Unterstützerbewegung weitgehend verhindern. Bei ihren jetzigen Maßnahmen beruft sich die Stadtverwaltung auf handfeste Daten, die sie im Rahmen des sogenannten „Kölner Modells“ erhoben hat. Mit dem Versprechen auf humanitäre Hilfsmaßnahmen für Roma-Familien hatte die Stadt unter anderem ein Kinderprojekt und eine „Beratungsstelle für ethnische Minderheiten“ eingerichtet. Die Hilfsmaßnahmen wie Kinderbetreuung, Sozialberatung, finanzielle Unterstützung, Beschulung wurden jedoch nur halbherzig durchgeführt.

Statt dessen benutzte die Stadt Kinderprojekt und Beratungsstelle um eine „Zigeunerdatei“ anzulegen mit den Namen der betroffenen Kinder und deren Eltern sowie weiteren persönlichen Angaben. Daten über alle Roma und Sinti, die in der Stadt leben, wurden dort zentral gesammelt. Während dieser Sondererfassung wurden die nach Köln geflüchteten heimatlosen Roma mit zeitlich befristeten Duldungen im Ungewissen über ihr künftiges Schicksal gelassen, eine ökonomische Existenzgrundlage erhielten sie nicht, ein Stellplatz, auf dem sie untergebracht wurden, bot ihnen miserable hygienische und soziale Lebensbedingungen.

Die in das „Kölner Modell“ eingebundenen Unterstützergruppen wie auch die beiden Kirchen sind über das städtische Vorgehen empört. Roma-Vertreter bezeichnen die Datensammlung als Wiederauflage der nachfaschistischen „Landfahrerzentrale“ und erinnern an die zentrale Erfassung aller Zigeuner im Nationalsozialismus, bürokratische Grundlage des Holocaust. Das Vorgehen der Stadt Köln steht in offenem Widerspruch zu Verhandlungen, die Roma-Vertreter in der vergangenen Woche mit Staatssekretär Riotte vom Landesinnenministerium Nordrhein-Westfalen geführt hatten. Dort war ihnen ein vierwöchiger Abschiebestopp zugesagt worden mit anschließenden Gesprächen über die zentrale Forderung der Roma nach einem Bleiberecht.

Allerdings stehen die nordrhein-westfälischen Politiker am 1.Oktober vor den Kommunalwahlen: Eine statistische Auswertung der Europawahlen hat auch für Köln ergeben, daß die hier führende SPD in ihren Hochburgen vier bis sechs Prozent-Anteile an die „Republikaner“ abgegeben hat. Die Rechtsradikalen werben in Köln mit der Forderung nach hartem Durchgreifen gegen die „Zigeuner“.

Albrecht Kieser