: Bundeswehr als UN-Friedenstruppe?
■ Mittelamerika wünscht sich bundesdeutsche Beteiligung bei Überwachung des Friedensprozesses / Auswärtiges Amt prinzipiell bereit / Massive verfassungsrechtliche Bedenken
Berlin (taz) - Der Wunsch der zentralamerikanischen Staaten nach der Entsendung von bundesdeutschen Soldaten, die zusammen mit Truppen aus Kanada und Spanien den Friedensprozeß in Mittelamerika überwachen sollen, wird der Bonner Debatte um eine Beteiligung der Bundeswehr an UN -Friedensmissionen neuen Streit bescheren. Im Auswärtigen Amt ist der Wunsch der zentralamerikanischen Regierungsgchefs seit über einem Jahr bekannt. Offiziell dürfte ein Antrag über die UNO aber erst dann gestellt werden, wenn auf diplomatischen Wegen eine Zustimmung bereits signalisiert und die näheren Details ausgehandelt sind.
Prinzipiell wäre das Auswärtige Amt unter Führung von Außenminister Genscher auch zum Einsatz deutscher Streitkräfte in einer UNO-Beobachtertruppe bereit. Der Wunsch, der jetzt auf dem Gipfeltreffen bekräftigt wurde, wird bei den Bonner Außenpolitikern als Bestätigung ihrer Mittelamerikapolitik gewertet. Gegen ein Engagement der Bundeswehr stehen aber massive verfassungsrechtliche Bedenken und zwei Beschlüsse des Bundessicherheitsrates aus dem Jahr 1982. Darin wurde festgelegt, daß ein militärisches Engagement außerhalb des Bundesgebietes vom Grundgesetz her allenfalls im Rahmen der Nato abgedeckt wäre.
Die Debatte um eine Beteiligung bei UNO-Friedensmissionen ist derzeit durch einen anderen Wunsch des UN -Generalsekretärs Perez de Cuellar bestimmt. Er hat die Bundesregierung um die Entsendung eines Polizeikontingents gebeten, das die UN-Truppe „Untag“ in Namibia bei der Überwachung der südwestafrikanischen Polizei unterstützen soll. Eine Entscheidung darüber soll nach Angaben des Auswärtigen Amtes bei einer Kabinettssitzung im September fallen.
Verschiedene Unionspolitiker - allen voran der Bundesinnenminister Schäuble - haben in den letzten Wochen versucht, diese Entscheidung auch mit einem prinzipiellen Votum für den Einsatz von Soldaten zu verknüpfen. Sie sind bisher aber am Widerstand der Liberalen gescheitert. Der Wunsch, die Wirtschaftsmacht Bundesrepublik auch militärisch in aller Welt vertreten zu wissen, wird nach der Sommerpause erneut zu Spannungen in der Bonner Koalition führen, wenn die Unionsvertreter auf einer Behandlung in der Kabinettsrunde bestehen. Leise, aber beharrlich, wird in Unionskreisen auch schon die Forderung gestellt, über eine Änderung des Grundgesetzes nachzudenken.
In den Reihen der Bonner Oppositionsparteien wird eine UNO -Beteiligung konträr diskutiert. Während die SPD ausdrücklich einen Polizeieinsatz in Namibia befürwortet, ein militärisches Engagement aber kategorisch ablehnt, haben sich die Grünen sowohl gegen eine Entsendung von Polizisten als auch von Soldaten festgelegt.
wg
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