Das Aus für die Contra noch vorm Jahresende

Mittelamerikakonferenz einig über die Auflösung der nicaraguanischen konterrevolutionären Truppen / Entwaffnung unter internationaler Aufsicht / Ortega: „Todesurteil für die Contra“ / USA weniger begeistert / Konflikt in El Salvador soll durch Verhandlungen gelöst werden  ■  Aus Tela Ralf Leonhard

Spätestens am 8. Dezember soll unter das Kapitel nicaraguanische Konterrevolution ein Schlußstrich gezogen werden. Die fünf mittelamerikanischen Staatschefs haben sich am Montag bei ihrem Gipfel im honduranischen Tela darauf geeinigt, daß die Contra-Verbände bis Dezember aufgelöst werden sollen. Laut Abkommen wird ihre Entwaffnung von einer internationalen Kommission organisiert und beaufsichtigt werden. Diese soll aus spanischen, kanadischen und bundesdeutschen Streitkräften bestehen (zum Einsatz deutscher Truppen siehe Bericht auf Seite 2).

Wenn der Demobilisierungplan erfüllt wird, dann wird in vier Monaten der Krieg in Nicaragua endgültig beendet sein. In El Salvador, so verlangten die Staatschefs, müssen Regierung und Guerilla eine Lösung durch einen politischen Dialog suchen. US-Außenminister James Baker erklärte, Wahington werde das Abkommen unterstützen, wenn die Repatriierung der Contra auf freiwilliger Basis geschehe.

Unter den Kokospalmen und Mangobäumen am Strand des kleinen Karibikhafens Tela herrschte bis zum Schluß Nervosität. Denn noch wenige Stunden bevor die Präsidenten die Erklärung von Tela samt zweier Zusatzabkommen unterzeichneten, hatten zwei Abgesandte des US-State-Departements alle ihre Überredungskünste eingesetzt, um das Abkommens zu verhindern. Würden die von der US-Wirtschaftshilfe abhängigen Honduraner sich breitschlagen lassen?

Nicaraguas Staatschef Daniel Ortega machte einen entspannten und zufriedenen Eindruck, als sich schließlich die Delegationen nach dem Ende der Verhandlungen zum Mittagessen zurückzogen. „Es gibt weißen Rauch“, verkündete er erleichtert. Die gute Nachricht war gar nicht so selbstverständlich, denn der honduranische Außenminister Carlos Lopez Contreras hatte vor Beginn der letzten Sitzungsperiode noch ein Scheitern des Gipfeltreffens vorausgesagt.

Nicaragua hat auf diesem Treffen seine wichtigste Forderung durchgesetzt: Die Truppen der Contra, die zu 90 Prozent in Honduras lagern, werden noch vor den Wahlen vom 25. Februar aufgelöst und repatriiert. So steht es im ersten Zusatzabkommen zur Erklärung von Tela. Nach dem Abkommen Ortegas mit der internen Opposition, das alle noch verbliebenen Hindernisse im Wahlprozeß aus dem Weg geräumt hatte, waren die anderen Staatschefs mit den Bedingungen für die Wahl einverstanden. Damit widersprechen die Verbündeten Washingtons der These von Präsident Bush, daß nur die Existenz einer bewaffneten Contra-Armee freie und faire Wahlen garantieren könne. Nicaragua hatte ursprünglich eine Demobilisierung der Konterrevolutionäre innerhalb von 90 Tagen vorgeschlagen. Dieser Plan war im Mai bereits von den Vizeaußenministern abgesegnet worden. Nur wird es statt der anvisierten 90 nunmehr 120 Tage dauern, bis die Entwaffnung und Repatriierung vollzogen ist. Denn allein für die Konstituierung der Internationalen Verifizierungskommission (CIAV), die den Prozeß überwachen soll, wurde ein Monat ab Vertragsunterzeichnung eingeräumt. Die CIAV besteht aus den Generalsekretären der UNO und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), also von diesen bestimmten Gruppen. Sie wird für die „freiwillige Demobilisierung, Repatriierung oder Verlegung einschließlich der Aufnahme in den Bestimmungsorten“ verantwortlich sein. Sie soll die Lager in Honduras aufsuchen, den Kämpfern den Inhalt des Abkommens zur Kenntnis bringen, die Lagerinsassen zählen und eine Liste der vorhandenen Sachmittel erstellen. Gewaltanwendung gegen jene, die sich der Entwaffnung und Repatriierung widersetzen, ist nicht vorgesehen. Die Nicaraguaner sind aber zuversichtlich, daß die meisten keinen Widerstand leisten werden. Denn das wichtigste Motiv, das sie in Honduras hält, ist die wirtschaftliche Unterstützung, die sie von den USA bekommen.

Wenn sich der Kongreß in Washington an sein eigenes Gesetz hält, dann werden die Contras nurmehr in Nicaragua in den Genuß Fortsetzung Seite 2

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weiterer Hilfsgüter kommen. Denn die „humanitäre Hilfe“, die im April bewilligt wurde, soll die Repatriierung finanzieren helfen. Die Waffen verbleiben unter der Obhut der CIAV. Auf Wunsch von Honduras sollen nach dem Abzug der Contra Friedenstruppen der UNO für die Sicherheit der Grenze sorgen.

Obwohl Honduras Präsident Azcona bei jeder Gelegenheit die Freiwilligkeit dieser Demobilisierung betonte, wird er selbst einiges zum Gelingen des Plans beitragen müssen wenn er verhindern will, daß seine Regierung vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag verurteilt wird. Nicaragua, das geklagt hatte, weil die Contras von Honduras aus operieren, wird seine Klage erst fallenlassen, wenn die CIAV die Auflösung der Contra-Lager mel

det. So heißt es in einem zweiten Zusatzabkommen.

El Salvadors Präsident Cristiani mußte unter dem Druck der anderen Staatschefs auf die Gleichbehandlung der Contra und der Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN) verzichten. Zwar lassen alle fünf Präsidenten an die Rebellen eine Aufforderung ergehen, die Feindseligkeiten einzustellen und einen Dialog zu suchen. Der Demobilisierung der FMLN wird jedoch keine Frist gesetzt. Vielmehr wird sie davon abhängig gemacht, daß vorher auf dem Verhandlungsweg die Bedingungen für eine Rückkehr der Kämpfer in die Gesellschaft geschaffen werden.

Einer der Fortschritte des Treffens in Tela liegt darin, daß nicht mehr nur der Konflikt in Nicaragua angesprochen wurde. In Guatemala und El Salvador steht der Prozeß noch ganz am Anfang. Es gibt also noch reichlich Themen für den nächsten Gipfel in Nicaragua.