Keine Rechtsmittel gegen Krankenkasse

Die Badische Landwirtschaftliche Krankenkasse darf sich weiter weigern, Abtreibungen nach Notlagenindikation zu bezahlen / Lothar Späth pfeift seine Sozialministerin zurück, die dafür keine rechtliche Möglichkeit gesehen hatte / Rechte Lebensschützer machen Druck  ■  Von Ulrike Helwerth

Berlin (taz) - Abtreibung in Baden-Württemberg: ein Streit ohne Ende. Ministerpräsident Lothar Späth hat sich nun selbst in einen Konflikt zwischen seinem Sozialministerium und der Badischen Landwirtschaftlichen Krankenkasse eingemischt. Das Staatsministerium erklärte, daß das Sozialministerium vorläufig keine rechtlichen Schritte gegen die Kasse in Karlsruhe unternehmen werde. Diese hatte Ende vergangenen Jahres beschlossen, keine Schwangerschaftsabbrüche auf eine Notlagenindikation hin mehr zu bezahlen. Nachdem der Fall öffentlich geworden war, hatte das Sozialministerium gegen die Kasse Sanktionen in Form eines Verpflichtungsbescheids erwogen. Denn im Hause von Barbara Schäfer sah man die Krankenkassenfinanzierung sozial indizierter Abtreibungen gesetzlich eindeutig geregelt und daher „keinerlei rechtlichen Interpretationsspielraum“.

Statt dessen soll nun unter Hinzuziehung des Justizministeriums noch einmal ganz gründlich geprüft werden, ob die Praxis der sozialen Indikation „noch vereinbar“ ist mit den „nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbrüchen“, zu deren Finanzierung die Krankenkassen laut Reichsversicherungsordnung verpflichtet sind. So ein Sprecher des Sozialministeriums gegenüber der taz. Von einem Streit mit dem Staatsministerium will man im Hause Schäfer allerdings nichts wissen. „Unsinn“ und „Fehlinterpretation“ seien derlei Behauptungen. Die neue Vorgehensweise sei sogar vom Hause selbst vorgeschlagen worden. Auch im Staatsministerium wird versichert, keinesfalls wolle Lothar Späth die Sozialministerin „bremsen“. Eine solch komplizierte und kontroverse Rechtslage müsse jedoch erst einmal ausführlich geprüft werden; Einigkeit herrsche auch darüber, daß Zwangsmaßnahmen gegen die Karlsruher Kasse nicht unmittelbar bevorstünden.

Druck auf die Landesregierung machten nicht nur die „Christdemokraten für das Leben“ (CDL), sondern auch die Juristenvereinigung „Lebensrecht“. Deren Vorsitzender Bernward Büchner zweifelte in einem Brief an Lothar Späth die Glaubwürdigkeit seiner Regierung an, wenn er rechtliche Maßnahmen gegen die Landwirtschaftliche Krankenkasse Baden zulasse. Büchner, im Hauptberuf Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Freiburg, erinnerte an die Behauptung von Mitgliedern der Regierung Späth, daß die Notlagenindikation in vielen Fällen mißbraucht werde. Diese „richtige Erkenntnis“ sei für die Landesregierung jedoch niemals Anlaß gewesen, gegen solche Fälle „eindeutig rechtswidriger Kassenpraxis“ rechtlich vorzugehen. Nun aber sollten gegen die Karlsruher Kasse solche Mittel angewandt werden, obwohl ihr namhafte Rechtswissenschaftler rechtsmäßiges Verhalten bescheinigt hätten.

Im Stuttgarter Sozialministerium hält man indessen den Kampf gegen die Krankenkassenfinanzierung für ein untaugliches Mittel zur Verringerung sozial indizierter Abtreibungen.