DGB im Steuerdilemma

Berlin (taz) - Ein kleiner Schritt für den Umweltschutz, aber ein großer Schritt für die Gewerkschaftsbewegung - man darf dieser Tage einigen Vertretern der bundesdeutschen Arbeitnehmerschaft ausnahmsweise einmal Mut zur Flexibilität nachsagen. Wenn beispielsweise die Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, Monika Wulf-Mathies, ausdrücklich die „Konzeption einer verbrauchsbezogenen Öko-Steuer lobt, so hat das andere Dimensionen als etwa die Auseinandersetzung über die Höhe des Spitzensteuersatzes oder die Aufhebung irgendwelcher steuerlichen Freibeträge.

Ein Plädoyer für die Besteuerung von Konsum - wie es ja das Kernstück des Ökoprogramms, die Mineralölsteuererhöhung wäre - und zum Ausgleich dafür zum Verzicht auf Einkommenssteuerkomponenten: Das rüttelt grundsätzlich am gewerkschaftlichen Verständnis von Steuerpolitik als einer Säule der sozialen Marktwirtschaft. Taucht am Horizont der Gewerkschaftspolitik das neue Paradigma der ökosozialen Marktwirtschaft auf? Die Tatsache, daß die Partnerorganisation aus der Parteienlandschaft nun mit großem Tamtam Verbrauchssteuern propagiert, hat einige Gewerkschafter offenbar wenigstens zum Nachdenken veranlaßt. Von ungefähr war im Grundsatzprogramm des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) von 1963 noch klipp und klar formuliert: „Im Hinblick auf eine soziale und gerechte Verteilung ist eine Verlagerung der Anteile des Gesamtsteueraufkommens von den indirekten (verbrauchsbezogenen, die Redaktion) zu den direkten (einkommensbezogenen, dito) Steuern anzustreben.“ Der simple Grund: Einkommenssteuern bieten dem Fiskus die Chance, den Reichen mehr, den Armen weniger Prozente abzuknöpfen, während an der Kasse des Supermarktes oder der Superbenzin -Säule nur unter unvorstellbarem Aufwand eine Differenzierung zu erreichen wäre (siehe auch Seite 9). Dort sind alle gleich. Und da die Begüterten weltweit einen geringeren Anteil ihres Einkommens verprassen als die armen Schlucker, werden sie in entsprechendem Maße nicht nur nicht höher besteuert, sondern müssen im Gegenteil auch noch einen geringeren Anteil ihres Einkommens an den Fiskus abgeben.

Doch nicht nur der Hang zur Umverteilung hat den Gewerkschaften hier die Richtung gewiesen. Da von ihnen erwartet wird, jegliche Ansätze von Lohnraub aufzuspüren, war für sie stets die Devise: Wir wollen am Lohnstreifen auf Heller und Pfennig ablesen, wieviel uns Vater Staat abknöpft. Ein Umschwenk auf mehr Konsumsteuern und gar nach irgendwelchen Kriterien differenzierte, bringt Verwirrung in die Lohnklarheit und hat die Vertreter der Arbeiterklasse schon immer auf den Plan gerufen.

All dies ist offenbar Grund dafür, daß der DGB sich in Sachen Öko-Steuern eher noch vorsichtig bedeckt hält. Immerhin hätte er inzwischen auch Programmatisches in petto für mehr Flexibilität. Im aktuellen Programm von 1981 klingt es bereits abgeschwächt: „Bei der Steuerpolitik ist der Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit oberstes Gebot. Diesem Grundsatz muß auch die Verteilung des Steueraufkommens auf direkte und indirekte Steuern entsprechen.“ Hinter der Abkehr von der klaren Linie zum Direkten stand seinerzeit die Erkenntnis, daß sich der Anteil der direkten gegenüber den indirekten Steuern gewaltig vergrößert hatte - im Zuge aufkommender höherer Inflationsraten seit den 70er Jahren, die die Einkommensbezieher bisweilen in den Bereich höherer Steuersätze trieb, mithin für höhere Steuern sorgte.

Ein anderer traditioneller Motivationsstrang der Gewerkschaften, gegen Verbrauchssteuern zu kämpfen, ließe sich in der aktuellen Diskussion freilich nur mehr schwer vermitteln: Sozialdemokraten und Arbeitnehmervertreter wollten die Wirtschaft seit eh und je über die Nachfrageseite auf Trab bringen: Mehr Konsum mehr Wachstum, war ihre traditionelle Devise. Der Stand der gesellschaftlichen Diskussion läßt es nunmehr nicht mehr zu, etwa erhöhten Mineralölverbrauch zu propagieren, und sei er auch noch so wachstumsfreundlich. Dies wird neben dem Sprit in absehbarer Zeit auch noch andere Produkte treffen. Also wird man sich letzten Endes auch mit einer erhöhten Spritsteuer als Verbrauchsdämpfer abfinden können - sozialer Ausgleich vorausgesetzt.

Ein Dilemma offenbart sich allerdings bei dieser Steuer, und das wird alle Abgaben betreffen, mit denen man bestimmte Verhaltensweisen unterbinden will: Im Idealfall, nämlich dann, wenn sich die Bürger genauso verhalten wie man es mit der Steuer oder der Abgabe erreichen will, sind die betreffenden staatlichen Einnahmen gleich Null - wenn etwa alle Räder stillstehen am Auto. Aber keine Angst, so weit sind wir noch nicht.

Ulli Kulke