Rechte Randale am Checkpoint Charlie

■ Mauerläufer, Rechtsradikale und VoPos am 13.August im Clinch / „Deutschland, Deutschland über alles“ / VoPos mit Bierdosen beworfen / In Deutschlandfahne eingewickelter Demonstrant von Westberliner Polizei entfernt / Auch ein Affe schwenkt die schwarze Fahne

„Deutschland, Deutschland über alles“, gröhlt der 20jährige mit den ausgeschlagenen Vorderzähnen und schleudert seine Bierdose dem Volkspolizisten direkt vor die Füße. Der Grenzstreifen hinter der weißen Markierungslinie ist übersät mit Dosen, Bierflaschen und Glasscherben. An die 200 Menschen haben sich an diesem Sonntagnachmittag am Alliierten Grenzübergang Checkpoint Charlie eingefunden. Langsam, aber sicher bewegt sich die aufgeheizte Menschenmengen vorwärts, in Richtung Ost-Berlin, kommt den acht Vopos, die mit stoischer Miene in Richtung West-Berlin blicken, immer näher. „Unterlassen Sie das Werfen mit Büchsen und Gegenständen“, fordert die Westberliner Polizei per Lautsprecher die Menge auf - vergeblich. Immer wieder fliegen einzelne Büchsen. 20 bis 30 Westberliner Polizisten haben derweil eine äußerst durchlässige Absperrkette quer über die Friedrichstraße gebildet. „Irgendwas ist da los“, erklärt ein amerikanischer Tourist seinen beiden Begleiter. „They demonstrate because there they can't demonstrate“, versucht einer der Einsatzbeamten zu erklären. „Ich war sieben Jahre in Brandenburg im Knast, zweimal dreieinhalb Jahre wegen Fluchtversuch“, redet ein junger Mann mit deutlicher Alkoholfahne auf einen Beamten ein.

Die Menge befindet sich jetzt schon an die 15 Meter jenseits der weißen Grenzmarkierung. Man sieht Tempo-Hundert -Gegner, bekannte „Republikaner„-Gesichter, junge und alte Rechte. Eine Gruppe wehrsportgestählter junger Männer mit exakten Kurzhaarfrisuren rollt ein Transparent aus: „Nationalismus für ein Europa Freier Völker“. Die Menge applaudiert und schwenkt schwarze Fähnchen, die der Amerikaner Joseph Werner gleich 1.000fach verteilt hatte. Werner hält schon seit 1981 alljährlich eine ganztägige Protestwache an der Mauer ab, während der er Kopien seiner selbstverfaßten rührseligen Gebete verteilt. Auch ein Affe (!) sitzt im Baum, eine schwarze Fahne schwenkend. Wenig Beachtung findet ein anderer unermüdlicher Mauerkämpfer, der US-Bürger Joe Runnings, bekannt als „der Mauerläufer“. Er hatte seinen Beitrag zum Abbau der Mauer bereits am Vortag geleistet: Mit einem Baugerüst und einem Eimer Farbe ausgestattet, hatte er die Mauer weiß bepinselt und mit der Auffschrift „In der Mauer ist ein Loch“ versehen.

„Wasserwerfer! Sie kommen mit Wasserwerfern“, geht nun das Gerücht durch die Menge. Doch es sind nur 20 Vopos in legerer Sommerkleidung, die die aufgebrachte Menge zurück über den Grenzstreifen weichen lassen. Auch die Pöbler in der ersten Reihe, die eben noch eine große Klappe geschwungen haben, ziehen sich nun blitzschnell in den sicheren Westteil des Grenzübergangs zurück. Nun greift auch die Westberliner Polizei ein: „Verlassen Sie das Unterbau -Gebiet: Wir können sonst nicht für ihre Sicherheit garantieren.“ Die Sperrung der Fahrbahnen neben dem alliierten Grenzhäuschen sei eine Ordnungswidrigkeit, verkündet eine Lautsprecherstimme. „Entfernen Sie sich in Richtung Kochstraße.“

Der Volksmob in Aktion, wie alljährlich, so auch an diesem 28. Jahrestag des Mauerbaus. Schon am Vormittag hatte sich der bereits durch mehrere Protestaktionen gegen die Mauer einschlägig bekannte Carl-Wolfgang Holzapfel in eine Deutschlandfahne gewickelt und auf die Demarkationslinie gelegt, so daß sein Oberkörper in den Ostteil und seine Beine in den Westteil der Stadt ragten. Holzapfels Protestaktion wurde überraschenderweise durch das Eingreifen Westberliner Polizeibeamten beendet, die ihn ohne Ankündigung ergriffen und abtransportierten.

Das Eingreifen der Polizei wurde von der Menge mit Pfiffen und Buhrufen quittiert. Während der Aktion soll es am Checkpoint Charlie zu einem gescheiterten Fluchtversuch gekommen sein. Deswegen, so behaupteten Augenzeugen, sei der Grenzübergang auf DDR-Seite kurzfristig geschlossen worden. Die angebliche Flucht wurde von der Westberliner Polizei nicht bestätigt. Nach ihren Angaben soll der Grenzverkehr nur kurz unterbrochen worden sein, nachdem es auf westlicher Seite zu lauten Mißfallenskundgebungen gekommen war.

-guth