Christen-General Aoun im Aufwind

■ Die US-Administration ergreift im libanesischen Bürgerkrieg Partei gegen Syrien

Fünf Monate, nachdem der selbstherrliche christliche General Michel Aoun einen „Befreiungskrieg“ gegen die syrischen Truppen im Libanon erklärte, ist seine Botschaft in Washington angekommen: Erstmals hat die US-Administration einseitig Syrien für die Kämpfe verantwortlich gemacht. An überdeutlichen Winken mit dem Zaunpfahl hatte es nie gefehlt. Bereits als Aoun auszog, die illegalen moslemischen Häfen zu schließen und damit die jüngste Bürgerkriegsrunde einleitete, schwenkte er die Fahne des Kampfes gegen den Drogenhandel - Worte, die, wie er hoffte, in Washington auf Gehör für seinen „heiligen Krieg“ stoßen würden.

Doch es brauchte die mit der Entführung von Sheikh Obeid erneut aufgeworfene Geiselfrage im Libanon, die Washington zur der erwünschten Stellungnahme veranlaßte. Aouns Widersacher im moslemischen Lager, vor allem die schiitische, pro-iranische Hizbollah, standen unversehens im Kreuzfeuer der Kritik jener, für die arabisch/moslemisch/schiitisch schon fast gleichbedeutend mit „terroristisch“ ist. Um dieser günstigen internationalen Konjunktur noch etwas nachzuhelfen, beschossen die christlichen Verbände am Wochenende gezielt deren Hochburgen: die schiitischen Vororte Beiruts und die Umgebung von Baalbek in der syrisch besetzten Bekaa-Ebene, wo nicht nur radikale libanesische Kräfte, sondern auch die iranischen Revolutionsgardisten ihre Stützpunkte haben. Der selbsternannte Saubermann in Sachen Drogenhandel und Terrorismus bietet sich nun den USA als einziger libanesischer Politiker an, der an der Spitze eines geeinten Staates auch das Problem der westlichen Geiseln lösen kann. Doch nach 14 Jahren und vier Monaten Bürgerkrieg ist es reine Augenwischerei, die Rückkehr zum status quo ante zu propagieren. Aoun hat einen „Befreiungskrieg“ nicht nur gegen die Syrer, sondern auch gegen den größten Teil der libanesischen Bevölkerung ausgelöst. Selbst die Mehrheit derjenigen im moslemischen Teil des Landes, denen die Syrer verhaßt sind, möchte deswegen noch lange nicht zu den Zeiten der christlich-maronitischen Vorherrschaft zurückkehren, die sie zuletzt im Gefolge der israelischen Invasion erleben mußten.

Vor diesem Hintergrund ist die Stellungnahme der US -Administration in der Tat einseitig. Sie fügt sich nahtlos in das Kalkül Aouns ein, der von Anfang an auf westliche Unterstützung im angeblichen „Vernichtungskrieg gegen die letzten Christen im Orient“ gesetzt hatte. Derartige Stellungnahmen sind nicht dazu angetan, den machthungrigen General, der die Bereitschaft, über Leichen zu gehen, mit seinem Gegner, dem syrischen Staatchef Hafez al Assad, teilt, zum Einlenken zu bewegen. Im Gegenteil, er wird sich dadurch nur bestätigt fühlen.

Beate Seel