Ökowinzer lassen die Korken knallen

■ Gute Stimmung auf der Jahreshauptversammlung des Bundes Ökologischer Winzer / Supermarktketten zeigen Interesse am Ökowein / Anteil der biologisch angebauten Weine liegt noch bei mageren 0,3 Prozent / Etiketten-„Schwindel“ bereitet den Ökowinzern Probleme

Bernkastel-Kues (taz) - Unter den bundesdeutschen Produzenten von ökologischem Wein herrscht Hochkonjunktur. Während ihre „konventionell“ anbauenden Winzerkollegen ihre Überschußproduktion nicht loswerden, haben die Ökoweingüter keine Absatzschwierigkeiten. „Unser Angebot kann die Nachfrage am Markt bei weitem nicht abdecken“, erklärte der Bundesvorstandssprecher des Ökowein-Dachverbandes „Bund Ökologischer Winzer“ (BÖW) Karlheinz Hillebrecht am Rande der Jahreshauptversammlung seiner Organisation am Wochenende gegenüber der taz. Selbst Großhandelsketten wie Edeka seien mittlerweile daran interessiert, die nach strengen verbandsinternen Auflagen produzierten Ökoweine in ihre Verkaufsregale zu stellen. Die Ökoweinproduktion in der BRD ist nach Ansicht des BÖW inzwischen aus ihrer „Experimentierphase“ hinaus. „Wir haben gezeigt, daß es auch in klimatisch nicht ganz unproblematischen Regionen wie der BRD klappt“, meinte ein Vorreiter. Bundesweit beträgt der Anteil der ökologisch produzierten Weine allerdings nur magere 0,3 Prozent der Gesamtweinproduktion. Jährlich werden in der BRD zwischen 420.000 und 490.000 Liter „reinen Weins“ aufgetischt. Die Zahl der streng ökologisch - die Richtlinien sehen etwa einen weitestgehenden Verzicht auf Chemie im Weinberg und bei der Weinkellerung sowie die Erlaubnis zur Kontrolle vor - wirtschaftenden Betriebe stagniert allerdings bei einer Zahl „deutlich unter 200 Betrieben“. Ursache dafür ist vor allem die Durststrecke, die jeder Weinbaubetrieb beim Umstellen auf Ökoproduktion überstehen muß. Drei Jahre lang muß der Weinberg „chemiefrei“ sein, bis der Wein als Ökowein vom BÖW oder den regionalen Gruppen anerkannt wird, solange dauert es, bis sich der chemiedurchtränkte Boden einigermaßen regeneriert hat. Bescheidene Hoffnungen setzen die Ökowinzer in das von der EG aufgelegte Extensivierungsprogramm, das die Überschüsse in der Weinproduktion abbauen soll. Erstmals sei darin festgeschrieben, daß die Umstellung von konventionellen auf ökologischen Weinbau als „Extensivierungsmaßnahme“ anerkannt werde. Das bringt den Umsteigern bei Mengeneinbußen zwischen 15 und 30 Prozent gegenüber ihren „konventionell“ arbeitenden Kollegen immerhin 1.500 Mark pro Hektar im Jahr.

Die Kehrseite des Ökobooms sind die aus dem Boden sprießenden „Trittbrettfahrer“: „Ökologisch“, „biologisch“, „naturnah“ oder „naturgemäß“ nennen immer mehr Produzenten ihre Weine, ohne, wie die Ökowinzer kritisieren, sich bei der Produktion in die Karten gucken zu lassen. Oft werde auf einen Teil des umfangreichen Arsenals aus der Chemieküche verzichtet, was häufig mit anderen Spritzmitteln kompensiert, aber dennoch unter dem Etikett des „Naturnahen“ vermarktet werde.

Einzige Lösung für die „auf Dauer die Seriösität des Ökoweinbaus ruinierende Verbrauchertäuschung“ ist nach Überzeugung der Ökowinzer ein gesetzlicher Schutz des Begriffs „Ökowein“. Das wird die mächtige Lobby der Weinbauverbände nach Einschätzung der Ökowinzer aber so schnell nicht zulassen. „Mit unserer Anerkennung werden 99.7 Prozent des Weins als nicht-ökologisch stigmatisiert, und das kann sich heute auch die Weinlobby nicht mehr leisten“, heißt es unter Ökowinzern.

Thomas Krumenacker