Grüner Rundumschlag fürs Revier

Delegiertenkonferenz verabschiedet ihr „Umbauprogramm für eine Ökoregion Ruhrgebiet“ / Schleppender Einstieg / Trotz hoher Arbeitslosigkeit an der Ruhr Forderung nach 30-Stunden-Woche abgelehnt  ■  Aus Essen Bettina Markmeyer

Inhaltlich diskutiert wurde erst nach Mangold-Polenta und Möhrensalat zum Mittagessen. Vorher nahm die gestrige „Ruhrgebietsdelegiertenkonferenz“, auf der die Grünen ihr „Umbauprogramm für eine Öko-Region Ruhrgebiet“ verabschiedeten, den für programmatische Grünen-Treffen typischen Verlauf. Nach tiefen Seufzern und allseitigen, sehnsüchtigen Blicken in den blauen Himmel, eröffneten drei Delegierte die Diskussion in der evangelischen Studentengemeinde der Essener Uni mit der grundsätzlichen Frage, ob man ein solch „aufgesetztes“ Programm angesichts der nur mühsam real existierenden grünen Politik im Ruhrgebiet überhaupt brauche. Richard Kelber von den Dortmunder Grünen knurrte mißgelaunt seine Prognose über den Wirkungsgrad des öko-visionären Rundumschlags: „Das interessiert doch sowieso kein Schwein.“ Was ihm „wegen Defätismus“ heftige Schelte vom prominenten Mitautor Eckhard Stratmann einbrachte.

Immerhin ist die Umbau-Programmatik seit zwei Jahren in Arbeit und, wie Vorstandsmitglied Beate Scheffler trocken bemerkte, „läßt jetzt die SPD bundesweit ihr Umbauprogramm diskutieren, während für uns in NRW zwei Wahlen vor der Tür stehen“.

Mit einem eigenständigen Regierungsbezirk Ruhr wollen die Ruhrgebietsgrünen eine Zentralisierung regionaler Planungen und Entscheidungen anstelle der Kirchturmpolitik der Städte erreichen, um ein stärkeres Gegengewicht zur Politik der Stahl- und Energiekonzerne zu schaffen. Die Aufwertung des Reviers funktioniert, so das Programm, nur mit einer ökologisch und sozial orientierten Politik. Einvernehmlich segneten die Delegierten alle umwelt- und verkehrspolitischen Punkte ab: Verbesserung von Wasser-, Boden- und Luftqualität, Vermeidung von Müll, Protest gegen die Pläne von Umweltminister Matthiesen, die Emscher-Region mit dem Bau von einem dutzend Müllverbrennungsanlagen zum „Entsorgungszentrum“ der Nation zu machen.

Mit Blick auf die Gewerkschaften gab es Kritik an Eckhard Stratmanns Forderung, den Jahrhundertvertrag zur Kohleverstromung bis 1995 in einen „Kraft-Wärme-Kopplungs -Vertrag“ umzuwandeln und zugleich den langfristigen Einsatz von Kohle aus ökologischen Gründen zu beschränken und die Kohlesubventionen zur Entwicklung alternativer Energieversorgung im Revier zu binden. Abgelehnt wurde auch der Vorstoß, angesichts der extrem hohen Arbeitslosigkeit im Revier, eine sofortige Durchsetzung der 30-Stunden-Woche zu fordern. Daß die Krise des Reviers im grünen Programm ohnehin nur als „Krise der männlichen Erwerbsarbeit“ auftauche, kritisierten die Frauen und verlangten eine Einbeziehung informeller Arbeit.