Wenn der Skyman ins Mikro krächzt

■ Radio-Realitäten aus Frankreich: UKW-Zorro rächt verfolgte Hörer Für gestrauchelte Politiker gibt's eine Beichtsendung: „Mea culpa“

Seitdem private mit öffentlichen Sendern wetteifern, scheut man auch in Frankreich vor nichts zurück, bis hin zu den härtesten Pornos wie Deep Throat, die das Fernsehen zeigt.

Den Vogel im Kampf um Einschaltquoten schoß der UKW-Sender „Skyrock“ mit der Einführung einer Person namens Skyman ab, eines „maskierten Rächers“, der beauftragt war, seine „verfolgten“ Hörer zu rächen. Es reichte, wenn man diesem Radio-Zorro einen anonymen Brief schrieb, in dem man Namen und Telefonnummer jener Person angab, die man belästigt sehen wollte. Der Skyman versprach, dem Angeschwärzten einen unangenehmen Moment am Telefon zu bereiten.

Die tägliche Sendung eröffnet mit der Filmmusik des berühmten Zorro, und Skyman krächzt ins Mikrofon, nun sei der Superheld der Rache im Anzug. Seine Hörer peitscht er auf: „Seitdem ihr ganz klein wart, denkt ihr nur daran, denen Leid zuzufügen, die euch Schlechtes tun. Aber ihr traut euch nicht. Kein Mitleid mit den Schuften! Schreibt mir alles, was sie euch angetan haben, ihre Adressen, Details aus ihrem Leben. Ich räche euch.“

Skyman ruft bei seinen Opfern an, bestellt sie ins Gericht, zum Polizeikommissariat. Die Betroffenen wissen gar nicht, wie ihnen geschieht. Die Verbrecher sind etwa „ein Mütterchen, das die jungen Leute in ihrem Quartier nicht mag“, eine „rassistische Verkäuferin, die ihre Kunden beleidigt“, oder einfach eine Frau, „die ihren Nachbarn ärgert“. „Überprüfen Sie, ob Ihre Nachbarn nicht Ihren Elektrizitätsanschluß manipuliert haben“, raunt er einer Frau zu, der er eine Stromrechnung von 1.000 Mark ankündigt.

Die Rache des Maskierten macht vor keiner Geschmacklosigkeit halt - auch nicht davor, einem dieser anonym Angeschwärzten mitzuteilen, „daß ihre medizinische Untersuchung zu äußerster Besorgnis Anlaß gab - Aids? Oder Skyman ruft den Geschäftsführer eines Großmarktes an und behauptet, eine Anklage gegen eine der Verkäuferinnen erhalten zu haben. Sie wollte eine Anzahlung nicht berücksichtigen, um das Geld für sich selbst zu behalten. Er nennt sie beim Namen - Veronique - und behauptet, die Verkäuferin sei vor Gericht geladen.

„Das Durcheinander würde ich gern miterleben“, kichert Skyman, während er wieder aufhängt. „Die Verkäuferin kann protestieren, so viel sie will, man wird ihr nicht glauben, vielleicht wird sie sogar rausgeschmissen.“ Dabei weiß Skyman nichts über die Verkäuferin Veronique außer den paar Worten, die ihm jemand anonym zugeschickt hat. Und der maskierte Rächer hat beschlossen, seinen Hörern, die ihm schreiben, zu glauben - verrückte Denunzianten meint er an Schrift und Stil erkennen zu können.

Die Sendung ist so erfolgreich, daß sie - ursprünglich einmal in der Woche geplant - bald zweimal am Tag stattfindet. Natürlich hat sich die Radiostation juristisch abgesichert. Die einzige Rücksichtnahme, die getroffen wird, ist, daß die Namen der Opfer nicht gesendet werden. Dabei sind die anonymen Denunzianten selbst sehr feige: „Erwähne bloß nicht während deines Telefongesprächs den Streit zwischen Leuten und mir“, bat eine Hörerin.

Haß muß sehr viel Energie auslösen, denn manche gaben sich die größte Mühe in ihren Briefen und suchten sogar die Geheimnummer von Leuten heraus, die Skyman anrufen soll. Das geht sogar so weit, daß Schüler daran denken, ihre Lehrer zu verpfeifen.

Vorabdruck aus Ulrich Wickerts neuestem Buch „Frankreich Die wunderbare Illusion“, das in diesem Monat bei Hoffmann und Campe in Hamburg erscheinen wird