EMPÖRUNG III

■ Kritik am taz-Artikel über Euromarkt

Ein Telefongespräch wird der Redaktion übermittelt: Hier ist eine, die sich über eure Seite beschweren will. Erschreckt und blitzschnell läßt die Redakteurin das jüngste Produkt vor ihrem inneren Auge passieren. Es wird die Galerie sein, enttäuscht über die von jeder Kunstkenntnis ungetrübte Gelb Rot Blau-Austellungsbesprechung.

Nichts da. Hier ist Marianne. Ich finde euren Euromarktartikel unmöglich! Das ist doch nur Werbung für Euromarkt. Wo auch noch Euromarktforschung drüber steht. Erst dachte ich, ihr arbeitet jetzt mit dieser Werbeagentur zusammen; die sind ungeheuer geschickt und gemein. Auf jeden Fall, die Redakteurin hat Mühe, Einspruch zu erheben, auf jeden Fall macht der Artikel auf den Euromarkt aufmerksam. Und das ist sehr gefährlich. Gerade die taz -Leser seien doch sehr anfällig dafür als genau die zitierten Kunden, die von Aldi aufsteigen wollen oder können. Überhaupt, das als Aufstieg zu bezeichnen! Der zaghafte Einwand der Redakteurin, es handle sich doch um einen durch und durch ironischen Text, und man könne schlechterdings nicht jedesmal den Namen Euromarkt weglassen, quasi durch Piepton ersetzen; außerdem sei es eine Sache, solche Werbesprüche durchaus gelungen zu finden, eine andere aber, loszugehen und einzukaufen. Im übrigen sei sie doch gegen den Artikel immun geblieben. Und meistens sei es überflüssig, sich schützend vor die Dummheit der anderen zu werfen. Das überzeugt Marianne ganz und gar nicht. Sie ist regelrecht in Sorge und ruft nochmal an. Womöglich hätte die Redaktion gar nicht die Gefahr begriffen. Gerade das Wort „Anzeige“ am Schluß der Seite stehe doch auffällig nahe an besagtem kriminellen Text. Die Redaktion möge doch bitte noch einmal überlegen, ob sie sich nicht blindäugig einen Artikel hat unterschieben lassen, der Teil einer ganz ganz raffinierten Werbestrategie sei, um eben die taz -Käuferschicht neu hinzuzugewinnen.

In der ersten Erregung habe sie sogar daran gedacht, ihr Abo zu kündigen, aber eigentlich will sie uns auch nicht schädigen. Auf jeden Fall sollen wir unbedingt nochmal darüber nachdenken. Nicht einmal die Erwähnung des Mordphantasien unterstellenden Schlusses seitens der verwirrten Redakteurin will verfangen. Das sei doch gerade das äußerst Raffinierte! Und das nächste Mal erbittet sie sich dringend knallharte Fakten: Was es mit dem Aufsichtsrat in Wirklichkeit auf sich hat, wie die Verkaufszahlen, die soziale Sicherheit der Angestellten beschaffen seien etc. etc.

Der geschlagenen Redaktion bleiben nunmehr wahlweise nur schreckliche Möglichkeiten.

Nr.1: Der Autor Kuhlbrodt, ein altgedienter taz -Jungschreiber, ist endlich als Under-Cover-Agent des - -PIEPS-- enttarnt. Seine lange Mitarbeit, weit entfernt davon, gegen diese These zu sprechen, ist vielmehr gerade die äußerst raffinierte Einschleichmethode des Konzerns, dem offenbar - angesichts der zu gewinnenden Käuferschichten nichts zu kompliziert ist! Jahrelang schreibt dieser Kuhlbrodt also unverfängliche - gar werbekritische - Artikel für uns, um uns dann eines Tages endlich dieses Werbe-Werk unterschieben zu können.

Nr.2: Die ausgefuchste Werbeagentur hat sich auf Journalistenprovokation spezialisiert. Das heißt die Werbesprüche sind gar nicht auf die Kunden gemünzt, sondern auf journalistische Beutejäger, die glauben, mit einem Bericht darüber, die Story ihres Lebens erwischt zu haben obwohl sie doch in Wirklichkeit nur den --PIEPS-- in die Zeitung bringen.

Nr.3: Mit DER CASSETTE wird unterhalb der Wahrnehmungsschwelle nicht etwa - wie Kuhlbrodt irrtümlich vermutete - „Zufriedenheit“ plus Kaufwunsch suggeriert, sondern „journalistischer Tatendrang“ plus Schreibwunsch.

Ja, Marianne, wenn wir es uns genau überlegen, muß es wohl eine der gemeinsten Kombinationen aus allen drei Faktoren gewesen sein. Und deshalb rufen wir mit dir in alle Welt: Skandal, Skandal, Skandal.