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Ärzte: 2000 Kurden wurden vergiftet

■ Heimliche Untersuchungen in Flüchtlingslager in der Türkei / Keine Angaben über Schuldige

London/Berlin (afp/taz) - Zweitausend kurdische Flüchtlinge im Lager von Mardin im Osten der Türkei sollen „vorsätzlich“ mit starken Substanzen, die sich auf das Nervensystem auswirken, vergiftet worden sein. Zu dieser Feststellung gelangten britische Mediziner nach heimlichen Untersuchungen vor Ort. Wie John Forum, Mitglied der Organisation „International Medical Relief“, und Alister Hay, Spezialist für Opfer chemischer Kriegsführung, am Montag in London mitteilten, hatten sie in den entnommenen Blutproben Spuren einer hochgiftigen Substanz entdeckt, die mit Nervengas vergleichbar sei. Die Blutproben seien aus dem Lager geschmuggelt worden. Die Ärzte hatten nach eigenen Angaben 2000 kurdische Flüchtlinge untersucht, die über Beschwerden wie Erbrechen, starke Bauchschmerzen, teilweise Lähmungen und Verlust des Orientierungssinns klagten. Nach mehreren Laboruntersuchungen durch das nationale Giftzentrum „National Poison's Unit“ in Southampton (Südengland) konnten die Mediziner nach und nach die Möglichkeit einer Lebensmittelvergiftung ausschließen. Sie kamen zu dem Schluß, daß die Flüchtlinge „vorsätzlich“ mit einer Art Nervengas vergiftet worden seien. Eine nähere Bestimmung des Gifts sei ihnen nicht möglich gewesen, da sie von den türkischen Behörden davon abgehalten worden seien, die Erkrankten intensiver zu untersuchen. Vermutungen über die Schuldigen an der Vergiftung wollten die Mediziner nicht anstellen.

In den Lagern Mardin, Mus und Diyarbekir - alle im Osten der Türkei gelegen - leben insgesamt 36.000 Kurden, die bereits im Sommer 1988 vor Giftgaseinsätzen und Verfolgungen aus Irak geflohen sind. In der Türkei war kürzlich bekannt geworden, daß die Einrichtung einer sogenannten „Sicherheitszone“ entlang der Grenze in den kurdischen Gebieten im Osten des Landes geplant ist. Einer internen Anweisung des Militärs zufolge kann dabei auch Giftgas eingesetzt werden, um die betreffenden Gebiete zu „säubern“.

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