Selbstmordversuch im Gefängnis von Aydin

■ Türkische Gefangene krankenhausreif geschlagen / 68 haben Hungerstreik abgebrochen / 1.600 im Solidaritätshungerstreik

Istanbul (taz) - Auch am 49. Tag des Hungerstreiks der politischen Gefangenen in der Haftanstalt von Aydin hält die türkische Regierung an ihrem kompromißlosen Kurs fest. Nahezu stündlich nimmt die Zahl derer, die in das staatliche Krankenhaus von Aydin eingeliefert werden, zu. 179 Gefangene verweigern nach wie vor die Nahrung, 68 haben zuverlässigen Quellen zufolge ihren Hungerstreik abgebrochen. Sechs Gefangene sind inzwischen in das 120 Kilometer entfernte Staatskrankenhaus von Izmir verlegt worden, darunter auch Mehmet Gül und Nurettin Sensoy, die zumindest bis Dienstag im Koma lagen. Die Gefangenen Imdat Celik und Ibrahim Dogan wurden in Izmir wegen Arm- und Knöchelbrüchen operiert. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation ATDLH hatten sich die beiden Gefangenen, die am Dienstag eingeliefert worden waren, ihre Verletzungen bei einer Schlägerei mit den Wärtern zugezogen. Der ehemalige Bürgermeister von Dyarbarkir, Mehei Zana, der ebenfalls in Aydin einsitzt, hat in der Nacht zum Mittwoch versucht, sich die Pulsadern zu öffnen. Er befindet sich außer Lebensgefahr. Die Atmosphäre in Aydin ist angespannt. Seit Montag hat die Stadt einen neuen Gouverneur, Recep Yazacioglu, der für seine Härte bekannt ist. Auch die Überwachung der Angehörigen der Gefangenen hält an: Zivilpolizisten verfolgen sie auf Schritt und Tritt. Nach wie vor wird den Anwälten der Häftlinge jede Möglichkeit verwehrt, mit ihren Mandanten zu sprechen. Aus Protest gegen die Einschränkung ihrer Rechte haben sie einen Solidaritätshungerstreik angekündigt. Landesweit haben sich mittlerweile rund 1.600 Gefangene in 19 Gefängnissen dem Solidaritätshungerstreik mit den Gefangenen von Aydin angeschlossen.

Der Bundesvorstand der Humanistischen Union hat den türkischen Ministerpräsidenten Özal sowie Justizminister Sungurlu aufgefordert, den verletzten Gefangenen ärztliche Hilfe zukommen zu lassen und umgehend eine Untersuchung der Vorfälle einzuleiten, um „die für diese barbarischen Mißhandlungen Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen zu können“.

Z.Herkmen/R.Schimmelpfennig