Koalitionsabsprache untergraben

■ Verkehrssenator Wagner will U-Bahn-Verlängerung ins Märkische Viertel zu Lasten anderer Schnellbahnausbaupläne nicht akzeptieren

Der Vorstoß von Bausenator Nagel und Finanzsenator Meisner für eine rasche Verlängerung der U-Bahn-Linie8 ins Märkische Viertel hinein hat jetzt zu einer deutlichen Verstimmung in der Verkehrsverwaltung geführt. Der persönliche Referent des Finanzsenators, Lothar Stock, hatte vorgeschlageb zu Gunsten des Weiterbaus ab dem vorläufigen Endbahnhof Wittenau -Nordbahn die Verlängerung der U-Bahn-Linie9 von Rathaus Steglitz nach Lankwitz zeitlich zu strecken. Im Haus von Verkehrssenator Wagner ist man jetzt sauer. Denn laut Koalitionspapier soll mit den Arbeiten zur Fortführung der Linie9 unmittelbar im Anschluß an das Ende des U-Bahn -Rohbaus in Reinickendorf begonnen werden.

Eine Verschiebung des Weiterbaus der U-Bahn nach Lankwitz sei unakzeptabel; an dem Koalitionsabkommen dürfe nicht gerüttelt werden, erklärte der Sprecher der Verkehrsverwaltung, Göbel. Scharf ablehnen müsse man auch die Vorstellung Stocks, die Finanzierung des U-Bahn -Verlängerungsstücks ins Märkische Viertel könne mit den Mitteln geschehen, die Berlin nach dem Strukturhilfegesetz zufließen sollen. Diese Gelder werden jetzt schon für den Ausbau des Nahverkehrs verwendet.

Wenn die U8 sofort in das Märkische Viertel weitergebaut werden soll, muß „etwas anderes“ aus dem Bauprogramm zur Verbesserung des städtischen Schienenverkehrs gestrichen werden, bestätigte der zuständige Referatsleiter in der Verkehrsverwaltung, Lemnitz. Das werde auch in einer Beschlußvorlage für den Senat stehen. Der Bau der 1,5 km langen Verlängerungsstrecke vom Wilhelmsruher Damm zum sogenannten Märkischen Zentrum am Senftenberger Ring würde nach Berechnungen der Bauverwaltung etwa 200 Millionen DM kosten. Die IGEB spricht gar von rund 300 Millionen DM.

Während den Streckenabschnitt von Paracelsus-Bad bis Wittenau-Nordbahn einem alten Senatskonzept zufolge aber durch die Verknüpfung mit der S-Bahn einmal bis zu 61.000 Fahrgäste nutzen werden, rechnet die BVG auf der gewünschten Verlängerung bis zum Senftenberger Ring nur mit bestenfalls 20.000 Fahrgästen. Wegen der weiträumigen Ausdehnung des Märkischen Viertels bräuchte man zudem immer noch mindestens eine Bus-Zubringerlinie zur U-Bahn, sagte Lemnitz. Fazit des Verkehrsexperten: Aus den genannten Gründen „bringt eine Verlängerung der Linie8 ins Märkische Viertel nicht so sehr viel“.

Dessen ungeachtet hat die Senatsbauverwaltung inzwischen nach taz-Informationen eine Vorlage erstellt, nach der die U -Bahnbauer sich schon ab 1993 weiter ins Märkische Viertel wühlen sollen, also noch vor der für 1994 vorgesehenen Fertigstellung bis Wittenau-Nordbahn. Geplanter Eröffnungstermin der Verlängerung: 1999. Weil auch die CDU -Opposition die Anbindung wolle, sei man sich einer breiten parlamentarischen Unterstützung gewiß, meint forsch Verwaltungssprecher Weninger.

„Die Priorität liegt für die SPD nach wie vor bei der Wiederinbetriebnahme der S-Bahn-Strecken“, betonte unterdessen der verkehrspolitische Sprecher der SPD -Fraktion, Thiemann. Die AL will sich nach den Worten des Verkehrsexperten Klinski erst dann für den U-Bahn-Weiterbau entscheiden, wenn ein Gutachten dafür spricht.

Thomas Knauf