General ohne Truppe

Helmut Kohl schickt Heiner Geißler in die Wüste  ■ G A S T K O M M E N T A R

Helmut Kohl muß verrückt geworden sein. Als wir im Januar spekulierten, ein rechter Zwerg wie Schönhuber könne selbst einen gestandenen Großpopulisten wie Heiner Geißler zu Fall bringen, hieß es, wir würden wohl Gespenster sehen. Daß die zweite, die echte Rechte in dieser Republik so stark sein würde, hatte keiner gedacht. Die REPs an sich sind auch eher schwach, aber die Angst der Union vor der Konkurrenz ist übermächtig geworden. Jetzt sollen sie rechts überholt, umarmt und „verstanden“ werden. Mit Geißler wäre diese Strategie nicht drin gewesen.

Kohl ist offenbar die Sonne am Wolfgangsee schlecht bekommen. Mit seinem lange vorbereiteten Putsch gegen den geschäftsführenden Parteivorsitzenden setzt er nicht nur den ohnehin unwahrscheinlichen Wahlsieg der Union 1990 endgültig aufs Spiel. Er riskiert auch die Lähmung, ja die Spaltung der Union. Die Ära Geißler war mit viel Licht und Schatten für die Union verbunden. Er hat den verlotterten Kanzler -Wahlverein starkmodernisiert; aber diese Reform von oben war eben zu viel für die Biedermänner aus dem Mittelstand, zu bedrohlich für die Deutschnationalen in der Fraktion und in der rechten Publizistik und erst recht für einen Kanzler, gegen den Geißler seit Jahresbeginn konspiriert hat. Geißler in der CDU - das ist entweder ein General ohne Truppe oder bloß die rhetorische Dreckschleuder, die er eben auch immer war und ist.

Aber warum in der Vergangenheitsform reden? Gegen einen entschlossen zurückfightenden Geißler könnte Kohl noch den kürzeren ziehen. Oder Geißler hält sich als Retter der Union für die Zeit in Reserve, wenn Kohl seine letzte „Niederlage errungen“ haben wird. Was das den Rest der Republik angeht? Sehr viel: Jetzt erleben wir die konsequente Rechtsverschiebung, aus der Union sollen beinharte Torries werden. Das soll Schönhubers Wähler beeindrucken, macht sie aber erst recht selbstbewußt. Kluge Opposition muß dafür sorgen, daß dieser Coup daneben geht.

Claus Leggewie