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ISDN: Nächster Flop?

Akzeptanz ungenügend / Keine Endgeräten da  ■ Auge in Auge mit dem TELEFONGESPRÄCHSPARTNER

Bei der Vorstellung des Geschäftsberichtes in der vorvergangenen Woche verlor Postminister Schwarz-Schilling über den drohenden neuen Flop des „gelben Riesen“ kein Wort. Nach dem Reinfall mit dem Bildschirmtext Btx läuft jetzt nämlich auch der Ausbau des neuen Kommunikationsnetzes „Integrated Services Digital Network“ (ISDN), Integrierte Übertragung von Sprache, Text, Daten und Bild über ein einziges Netz, sehr behäbig an.

Am 8. März, auf der Cebit-Messe in Hannover, war der Startschuß gefallen. Die Nation sollte erleben, zu welchen Innovationen man in der Lage ist. Bundeskanzler Kohl und sein Postminister telefonierten fröhlich mit ihrem Parteifreund Wallmann in Frankfurt. Millionen sahen es auf den Fernsehschirmen. Nicht nur das: Die Deutsche Messe AG stellte rund 3.000 Ausstellern das ISDN-unterstützte Kommunikationsnetz zur Verfügung. Sie ließen sich denn auch als potentielle Kunden vormerken. Doch dabei blieb es. Gerade mal 460 ISDN-Anschlüsse konnte die Bundespost am 1. Juni 1989 melden. Bei bundesweit 8.000 möglichen Anschlüssen also ein klägliches Ergebnis.

Bereits im März hatte die Münchener Industrie- und Handelskammer zusammen mit der Münchener Telekommunikationsstelle MüTel e.V. eine Umfrage durchgeführt, nach der 42 Prozent der befragten Unternehmen ISDN noch gar nicht kannten. Nur sechs Prozent meinten, sie würden diese neue Technologie einsetzen. Überraschend hoch war die Ablehnung: 44 Prozent waren sicher, ISDN nicht einsetzen zu wollen.

„Das größte Vorhaben, das die Post jemals unternommen hat“ (Schwarz-Schilling) geriet jedoch noch aus anderen Gründen in Schwierigkeiten. Zwar gibt es mehr als genug ISDN-fähige Telefonapparate, doch an sonstigen Endgeräten hat die Post nichts zu bieten. Wer zum Beispiel ein Faxgerät kaufen möchte, geht leer aus. Die japanische Firma NEC hatte zwar den Auftrag für ISDN-fähige Faxgeräte erhalten, konnte die Bedingungen jedoch nicht erfüllen und bat um einen Aufschub von elf Monaten. Wegen der ohnehin schon bedenklichen Lage wollte die Post nicht länger warten und stornierte den Auftrag.

Bei der Suche nach einem Ersatzunternehmen gibt es jetzt weitere Probleme. Nicht einmal Siemens ist bisher über das Laborstadium hinausgekommen. Diese Lage ist vor allem darum unverständlich, weil dem Postminister angeblich schon immer klar war, daß die Akzeptanz von ISDN „entscheidend von der Attraktivität der Endgeräte“ abhängt.

Wegen der nicht unbeträchtlichen Kosten hat zudem auch eine andere Zielgrupe der Bundespost - wie Kleinbetriebe und Freiberufler - kaum Interesse an den neuen Anlagen. Denn nicht nur die Installations- und Instandhaltungskosten liegen über denen des gegenwärtigen Analognetzes - allein für die Montage müssen fast dreimal so hohe Gebühren hingeblättert werden wie für das gegenwärtige Telefon. Doch nur des komfortableren Telefonierens wegen lohnt sich ein ISDN-Anschluß nicht. Immerhin kostet ein ISDN -Fernsprechapparat fast tausend Mark. Wer jedoch ein Multifunktionsgerät nutzen will, muß schon mehr als 10.000 Mark hinblättern. Das Bildtelefon gar ist unter 50.000 Mark nicht zu haben, und dies allein dafür, daß nun neben der Stimme auch noch das Standbild des Gegenübers rüberkommt. Wohl um den drohenden Flop für das milliardenschwere Objekt abzuwenden, greift der „gelbe Riese“ jetzt in den Subventionstopf. Mit 30 bis 50 Prozent will das Ministerium sich an den Entwicklungskosten von ISDN-Anwendungen beteiligen.

Es ist fraglich, ob sich damit die angepeilten 1,5 Millionen Teilnehmer bis Mitte der neunziger Jahre locken lassen.

Horst Buchwald

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