Standbild: Der gezähmte Peymann

■ Der Theatermacher von Wien

(Der Theatermacher von Wien, Mo., 21. 8., 22.05 Uhr, ZDF). Peymann spricht leise. Im Cafe übertönen ihn die anderen Stimmen. Die kleinen Augen, sein glattes Gesicht. Manchmal huscht ein Runzeln über seine Stirn. Aber nur andeutungsweise. Manchmal halten seine Hände sich gegenseitig fest. „Ich spüre, wenn in einem Raum zuviel drin ist“, sagt er. Und wir sehen ihn in seiner karg möblierten Wohnung, sehen seine akkurat gestapelten Bücher. Später steht er in den riesigen, leeren Fabrikhallen, wo sie Richard III. geprobt haben, oder er sitzt auf einem seiner Wiener Lieblingsplätze, deren katholische Strenge er schätzt, in Cafes und Gartenlokalen oder in seinem Direktionszimmer. Auch hier weiße Wände.

Claus Peymann, seit drei Jahren Wiener Burgtheaterdirektor, liebt den Streit. Kein deutscher Regisseur hat sich so heftig und so häufig angelegt mit Kollegen, mit Politikern. Spätestens seit seinem 'Zeit'-Interview vor einem Jahr und der Premiere von Thomas Bernhards Heldenplatz weiß das jedes Kind.

Nichts davon in dieser Sendung. „Der Heldenplatz, ein wehmütiges, melancholisches Stück„; „Theater, das ist eine sehr zarte, kindliche Sache“, sagt er und tritt eine Stunde lang auf, als ob er es beweisen wolle. Diesmal schimpft er nicht (nur einmal ganz kurz über die sechseinhalb Millionen Theaterkritiker in Österreich), sondern er lobt. Er verehrt geradezu: Anselm Kiefer, Alfred Hrdlicka, seine Schauspieler Gert Voss, Wolfgang Gasser. Turrini, Handke und Thomas Bernhard, vor allem Bernhard.

Anfangs dachte ich, es liegt am Interviewer. Der hält ihn an der kurzen Leine. Läßt ihn gar nicht erst in Fahrt kommen. Ihre Lieblingsmusik? Ihr Lieblingsmaler? Ihre größte Schwäche? Ihre größte Stärke? Ein Fragebogen-Interview, und Peymann antwortet brav. Eines dieser typischen Fernsehporträts, in denen man den Interviewer nur von hinten oder von weitem zu sehen bekommt. Peymann spricht über seine Stückauswahl fürs Burgtheater und daß es ihm immer ums Spiel der Mächtigen ging. Er überlegt, ob Wien schuld ist oder sein Altwerden. Aber Ottokar Runze unterbricht ihn: „Ihr Jahrgang? Sternzeichen?“ Schnitt. Peymann gesteht, er beobachte immer. „Auch jetzt, mich und Sie.“ Keine Nachfrage. Ärgerlich.

Aber dann geht es um Bernhard, um seinen Tod. Peymann am Grab, kurz davor die Bilder von der Premiere, Bernhard auf der Bühne, vor dem tobenden Publikum, er weiß nicht wohin, freut sich, umarmt eine Schauspielerin, länger als üblich, dreht sich um, als wolle er fliehen. Peymann hält ihm die Hand, schiebt ihn wieder nach vorne. Eine Szene, wehmütiger als der ganze Heldenplatz.

Bei Bernhard wird Peymann wortkarg. Die Verben fehlen in seinen Sätzen. „Das tägliche Telefonieren“, sagt er. „Die Sehnsucht, ihm mit meinen Aufführungen zu gefallen.“ „Das ist jetzt alles weg“ - der einzige vollständige Satz. Eine Liebesgeschichte. Das Schimpfen, der Zorn ist ihm wohl über Bernhards Tod vergangen. Gegen Ende zieht Peymann Puppen aus eine Kiste: Alfred Kirchner, Hermann Beil, Gert Voss. Puppen, mit denen sie damals Bernhards Dramolett Claus Peymann verläßt Bochum und geht als Burgtheater-Direktor nach Wien gespielt haben. Er freut sich wie ein Kind, als er die Gestalten wiedererkennt. Die leere Wohnung, ihr Bewohner, die Puppen. Sonst niemand.

Über die Arbeit des Regisseurs, die Proben, sein gespanntes Verhältnis zu den alteingessenen Burg-Schauspielern, über seine Zeit vorher, in Bochum etwa, erfahren wir nichts. Nur ein paar hastig aufgesagte Standardsätze über Theater und Utopie, Aufklärung und Vision. Fragt sich, warum Runze an Peymann so wenig interessiert schien. Aber was es heißt, wenn einer stirbt, den man geliebt hat, davon konnte man eine Ahnung bekommen.

chp