Von wegen um den Schlaf

■ Eine Ausstellung mit Karikaturen in Hannover

Die bundesdeutschen Karikaturisten sind gegen Aufrüstung und Atomkrieg, gegen das Fernsehen, gegen die Mauer, gegen Arbeitslosigkeit und gegen Aids. Sie sind für Frieden, Freiheit und saubere Umwelt. Mit anderen Worten: Sie karikieren nicht. Wenn es um die Karikaturen hierzulande wirklich so schlecht bestellt ist, wie die derzeit im Wilhelm-Busch-Museum in Hannover zu sehende Ausstellung „Denk ich an Deutschland...“ glauben macht, dann wird von Murschetz, Marcks, Hürlimann, Poth, Steiger, A. Paul Weber und wie sie alle heißen niemand um den Schlaf gebracht.

Die Palette reicht von den üppig-barocken Gemälden der Überflußgesellschaft und den ewig-düsteren Fünf-Nach Zwölf -Apokalypsen über Ivan Steigers Medien-Mäkeleien bis zu Klaus Staecks moralinsaurerr Linkshaberei und Chlodwig Poths harmlosen Schmunzel-Bildern von der Alternativ-Szene. Murschetz (wöchentlich in der 'Zeit‘ zu sehen) zeichnet zu schön, die Nazi-Zeit kommt gar nicht vor, nur ein einziges Mal geistert ein Hitler-Gespenst übers Bild. Die meisten Karikaturen sind larmoyant und alles andere als scharfe Satire. Schlecht, das sind immer die anderen. Und wenn eh‘ alles zu spät ist, wozu dann die Aufregung.

Eine gesonderte Bundeskanzler-Schau macht immerhin deutlich, daß die Zeichner von Schmidts markigen Gesichtszügen noch inspiriert wurden, zu Kohl fällt ihnen nichts mehr ein. Vielleicht liegt's also doch an der Lage der Nation, wenn, ähnlich wie beim Kabarett, über die Originale nun mal besser lachen ist. Das erklärt aber nicht, warum sich nur ein F.K.Wächter in der Sammlung findet und von Elisabeth Kmölniger gar nichts: Ihr Stift war den Ausstellungsmachern wohl zu spitz. Dabei gehören die zwei zu den wenigen Karikaturisten hierzulande, deren Schärfe nicht nur im Gedanken liegt, sondern unverkennbar im Strich: den Figuren der andern sieht man die Unlust ihrer Schöpfer aufs Böse-sein förmlich an. Übrigens wird auch die Geschichte der Gerichtsverfahren gegen Zynisches und Menschenverachtendes nirgendwo erwähnt.

Bleiben Hans Traxlers gewitzte Inszenierungen deutscher Dialoge, seine gedrungenen Menschlein; mit ihren kurzen Beinen, kurzen Schatten und eingezogenen Schultern stehen sie vor leeren Landschaften oder kargen Kulissen und haben sich wenig zu sagen. Kleine Portraits deutscher Leidenschaftslosigkeit. Immerhin.

chp

„Denk ich an Deutschland ...“ - Karikaturen aus der Bundesrepublik, eine Ausstellung des Instituts für Auslandsbeziehungen in Zusammenarbeit mit dem Wilhelm-Busch -Museum Hannover, bis 17. September. Der Katalog mit 123 Abbildungen und 167 Seiten kostet xxx DM.