piwik no script img

Neu im Kino:

■ „MIMI - In seiner Ehre gekränkt“

Das ist nun wieder einer von dieser Sorte: einer dieser filmisch ruhigen und darstellerisch überdrehten Filme von Lina Wertmüller, einer dieser Filme mit ihrem Lieblingsdarsteller Giancarlo Giannini, einer dieser Filme, deren rabiater Charme und verfrorener Zynismus uns in die neueren Filme Lina Wertmüllers lockte, auf daß wir enttäuscht unser Beratungsbier hinterher stürzten, wortlos, entsetzt. Was war aus Lina geworden?

Aber „MIMI - In seiner Ehre gekränkt“, gedreht 1971, ausgezeichnet in Cannes, und dem deutschen Publikum wegen bitterer Unkommerzialität bisher vorenthalten, ist wieder einer von der alten Sorte, etwas konfus, sehr lautstark, respekt-und geschmacklos, immer mit einem Bein im Klamauk (L.W. entwirft, dreht und produziert eben in Italien) und mit dem anderen in der Ruhe sorgfältig ausgewählter Bilder aus dem unerschöpflichen Idyllenvorrat italienischer Landschaften zwischen Turin und Catania. Brüchigkeit ist in dieser Phase ihr Markenzeichen, ein Changieren zwischen extremen Farb-und Stimmungswerten, Brüche mit den filmischen Anstandsregeln, ein irrealer Realismus.

Und „Mimi“ ist Giancarlo Giannini, sein Darsteller, ein begossener Männerpudel, dem alle Hosen zu groß sein müssen und die Welt nie weit genug sein kann, schon gar nicht in den engen Gassen einer sizilianischen Stadt. Ein tragischer Held, der sich aus Naivität an den Kräften des Himmels (in Italien wie zuhause in Sizilien, die Mafia) versucht, kein Kämpfer aus irgendwelcher Überzeugung, eher aus ihrer Abwesenheit. Ein Tölpel, wehleidiger Potenzprotz, eifersüchtiger Ehemann aus dem Pflichtgefühl, das sich Ehre nennt, ein Mann eben.

Mimi weiß, was er der sizilianischen Öffentlichkeit schuldet, und das gibt er ihr, auch er ein Mann ohne Eigenschaften, immer überzeugt, nie überzeugend. „Mimi“, der Kraftprotz, der Frauenheld, der Revolutionär am Anfang, Mafia-Charge am Ende, eine Rolle nach der anderen übernimmt er, absolviert er und ist nicht dabei gewesen.

Das Kunststück ist, diese präsente Abwesenheit mit Leben zu füllen, ist, nicht einfach nur albernen Klamauk aus ihr herauszuholen. Dieses Kunststück ist Giannini, der Charlot dieser Jahre (in einigen Einstellungen schafft er fast die Physiognomie des fernen Vorbilds).

Das Kunststück ist auch, die Figuren so anzulegen, daß in der Distanz des Betrachters, die Liebe spürbar wird, die Lina Wertmüller zu ihren tragikomischen Figuren, zu diesem Leben empfindet.

step

Cinema, 20.45 Uhr

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen