Wieder Epichlorhydrin im Hamburger Hafen

Neue Variante des „Oostzee-Skandals“: 150 Liter der hochgiftigen Chemikalie aus lecken Fässern gelaufen / Die Spur führt nach Hongkong / 624.000 Liter des Stoffes sollen jetzt in ein Zwischenlager / Keiner der Geschäftspartner fühlt sich verantwortlich  ■  Von Ute Scheub

Hamburg (taz) - Im Hamburger Hafen laufen derzeit Vorbereitungen, um 624.000 Liter der hochgiftigen Chemikalie Epichlorhydrin in einem Zwischenlager aufzunehmen. Wenige Tage nach dem „Oostzee„-Skandal ist es zu einer neuerlichen unglaublichen Schlamperei mit dem Gift gekommen. Sie begann in Fernasien und setzte sich in zwei Leckage-Unfällen am Montag und Mittwoch im Terminal I der Firma „Euro-Kai“ im Hamburger Freihafen fort.

Das unter der Flagge von Singapur fahrende Schiff „Neptun Ruby“ hatte die von der chemischen Fabrik Formosa stammende Giftfracht in Hongkong geladen und am vergangenen Wochenende in Hamburg gelöscht. Ob es an den fernöstlichen Verladern lag oder an den europäischen Importeuren der Epichlorhydrinfracht, ist unbekannt - jedenfalls besteht der dringende Verdacht, daß die in Containern transportierten Giftfässer allesamt kaum gesichert waren. Ein Schicksal wie auf der „Oostzee“ blieb der Schiffsmannschaft wohl nur durch Glück erspart.

Als am Montag ein Laster mit dem ersten Container vom „Euro -Kai“ losfahren wollte, entdeckten aufmerksame Hafenarbeiter eine Leckage. 150 Liter waren aus einem Faß in den Container gelaufen und mußten von Feuerwehrleuten mit Schutzanzügen und Atemschutzmasken in einem mehrstündigen Einsatz entsorgt werden. Dabei entdeckte die Feuerwehr, daß an sämtlichen Fässern dieses Containers die Ventilschrauben locker saßen, und zog sie nach.

Auf Anordnung der Umwelt- und anderen Behörden durften die Container nicht mehr vom Terminal der Firma „Euro-Kai“ bewegt werden. Auch der Adressat Sowjetunion, der 35 von insgesamt 37 Containern geordert hatte, wollte das Zeug in diesem Zustand nicht mehr haben. Doch weil sich keiner der zahlreichen in das Geschäft verwickelten Firmen für die Schlamperei verantwortlich fühlte, dauerte es noch bis Mittwoch, bis eine Spezialfirma gefunden wurde, die nun die Giftbrühe in einem Hafentank zwischenlagern will, solange keine neuen oder reparierten Fässer bereitstehen.

Doch an jenem Mittwoch ereignete sich schon wieder der nächste Unfall. Wieder waren Epichlorhydrintröpfchen an zwei Containern und stark überhöhte Giftwerte in der umgebenden Luft festgestellt worden; wieder mußte die Feuerwehr zu einem halbtägigen Einsatz ausrücken.

Und während sich jetzt die beteiligten Firmen um die zu erwartenden hohen Rechnungen der Feuerwehr und der Spezialfirma Dupeg streiten, macht das damals für das „Oostzee„-Debakel mitverantwortliche Unternehmen Dow Chemical schon wieder Späßchen: Bei einem Schützenfest in Stade vertraute ein Dow-Manager den Schützen an, in einigen der „Oostzee„-Fässer habe sich nicht Epichlorhydrin, sondern Bier und Kartoffelschnaps befunden. Und tatsächlich schäumte auf der Bühne Gerstensaft - aus einem Faß mit Totenkopf und sowjetischen Schriftzeichen.