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„Freiheitsberaubung“ im Amt

■ Bremer Gericht entschied: Beschuldigte beim BKA-Rauschgift-Coup sind frei

Nach über eineinhalbjähriger Untersuchungshaft ist der 60jährige Chilene Robert Julio C. wieder ein freier Mann juristisch gesehen. In seine Heimat und zu seiner Familie konnte C. bis heute dennoch nicht zurückkehren. Der Grund: Trotz mehrfacher Mahnungen hat das Bundeskriminalamt in Wiesbaden ihm seinen Paß noch nicht zurückgegeben. Aus Schlamperei oder, schlimmer noch, aus Selbstherrlichkeit gegenüber den Entscheidungen eines Bremer Gerichts.

Schon am Mittwoch vor einer Woche hob ein Bremer Haftrich

ter die U-Haft für den Südamerikaner auf, dem die Staatsanwaltschaft Rauschgifthandel in großem Stil vorwirft. Das BKA hatte die fraglichen 50 Kilo Kokain allerdings selbst geschmuggelt und in Bremerhavener Schließfächern deponiert. Unter diesen Umständen sei eine Verlängerung der U-Haft nicht angemessen, argumentierte das Gericht. Auf die Bitten seines Verteidigers und der Staatsanwaltschaft, C. seinen Paß zurückzugeben, reagierte das BKA bislang hinhaltend. Regelmäßig beteuerten die BKA-Beamten, der Paß sei längst

abgeschickt, um am nächsten Tag einzuräumen, er werde demnächst zur Post gebracht.

Nachdem C. seit nunmehr 10 Tagen auf eigene Kosten in Bremer Hotels übernachten muß, erwägt sein Anwalt jetzt Schadensersatzklage gegen das BKA. Noch schlimmer dran ist ein ehemaliger Mithäftling C.s, dessen Anwalt schon vor Wochen die Herausgabe des Passes für seinen Mandanten beantragte. Auch dies bisher erfolglos. Der Anwalt will jetzt einen Boten nach Wiesbaden schicken, um den Paß abholen zu lassen.

K.S.

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