Kambodscha wiederholt Afghanistan

Weder Genf noch Paris hat die Lösung der Regionalkonflikte gebracht  ■ K O M M E N T A R E

Sechs Monate nachdem der sowjetische Truppenabzug Afghanistan im Bürgerkriegszustand hinterlassen hat, nahm die Pariser Kambodschakonferenz gestern die Abschlußrunde auf - fast in der Gewißheit, die Genfer Afghanistan -Verhandlungen nachzuahmen. Daß die Gespräche in eine Sackgasse geraten sind, bestätigte schon die Abwesenheit mehrerer Schlüsselminister, insbesondere die des Amerikaners James Baker. Anstatt einer Friedensregelung hat Paris nur die schlimmsten Befürchtungen bestätigt, die internationale Gemeinschaft hat Kambodscha zu einer Fortsetzung des blutigen Bürgerkrieges verurteilt. Vier Jahre brauchten die Afghanistanverhandlungen für einen Kompromiß - den Abzug der Sowjettruppen, bei Bewaffnung der Mudschaheddin durch den Westen. Die Pariser Gespräche sollten nur einen Monat dauern. Immerhin eine Hoffnung verspricht die afghanische Erfahrung. Tatsächlich haben die Chinesen die Bewaffnung der Mudschaheddin nach dem sowjetischen Abzug eingestellt. Und es ist nicht unwahrscheinlich, daß nach dem Abzug der vietnamesischen Truppen im nächsten Monat auch die chinesischen Waffenflüsse an die Roten Khmer austrocknen.

Dies allein wird Kambodscha jedoch nicht vor blutigen Kämpfen bewahren. Denn trotz der vor zwei Jahren aufgenommenen Friedensbemühungen haben sich die Roten Khmer für die Zeit nach dem Abzug auf einen Entscheidungskrieg vorbereitet. Eine diplomatische Lösung war sicherlich nie in ihrem Sinne und jegliche Anstrengung auf diesem Gebiet wurde von ihnen sabotiert.

Um alles noch schlimmer zu machen, spricht nun auch Sihanouk's Sohn und Truppenbefehlshaber Norodom Rannaridh, durch den vietnamesischen Rückzug animiert, von einem militärischen Sieg. Wie schon in Afghanistan wachsen die Spekulationen, das Hun Sen-Regime sei ohne die Unterstützung Vietnams dem Ansturm des Widerstands nicht gewachsen. Doch ebensowenig wie Kabul ist Phnom Penh reif für den Sturz.

Nachdem der Buddhismus wieder zur Staatsreligion ausgerufen wurde und aufgrund der ökonomischen Liberalisierung erfreut sich die Regierung Hun Sen breiter Unterstützung. Auf die militärischen Kraftprobe hat er sich mit umfassenden Rekrutierungsmaßnahmen vorbereitet.

Die Mudschaheddin mußten die Erfahrung machen, daß mit dem Abzug der Besatzer ein wichtiger ideologischer Vorbehalt verschwand. Fortan war der Regierung nicht mehr der Ausverkauf nationaler Ideale vorzuwerfen. Von den antivietnamesischen Gefühlen der kambodschanischen Bevölkerung haben die Widerstandskoalitionen bislang profitiert und die Roten Khmer verstanden sie besonders auszuschlachten.

Phnom Penh weiß, daß eine blutige Zukunft wie zuvor in Afghanistan bevorsteht, und drängt auf eine quasi diplomatische Anerkennung. Deutlich wurde der Handel mit dem benachbarten Thailand ausgebaut, und es scheint als gebe es eine stillschweigende militärische Kooperation zwischen den beiden Regierungen. Wenn erst der Rest der Welt davon Kenntnis genommen haben wird, mag eine neue internationale Konferenz einberufen werden. Bis dahin werden jedoch noch mehr Kambodschaner mit ihrem Leben für den Frieden zahlen müssen.

Larry Jagan