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AKW-Erörterung beinahe geplatzt

EinwenderInnen wollten aus Protest abziehen / Kontrollen verschärft / Leute in Unterwäsche leibesvisitiert / Leiter der Anhörung, Manfred Rebentisch, blockt Verfahrensfragen ab  ■  Von Joachim Weidemann

Mülheim-Kärlich (taz) - Die AKW-Erörterung zum AKW Mülheim -Kärlich ist gestern beinahe geplatzt. Aus Protest gegen die „ignorante Verfahrensführung“ wollten Städte, Kommunen und private EinwenderInnen die Anhörung verlassen. Der Anhörungsleiter Manfred Rebentisch vom Mainzer Umweltministerium riskierte den Ausmarsch dadurch, daß er Verfahrensfragen abblockte und sich auf die Sachfragen seines Fragenkataloges beschränkte. Selbst gezielte Fragen der EinwenderInnen zum AKW blieben anfangs unbeantwortet. Erst am Nachmittag, als Sachverständige den Einwendern antworteten, wich der Wille zum Aufbruch, und die Lage beruhigte sich.

Obwohl gestern nur wenige EinwenderInnen zur Anhörung kamen und alles friedlich blieb, wurden die Einlaßkontrollen nochmals verschärft: Selbst EinwenderInnen, die sich bis auf die Unterwäsche auszogen, wurden vom privaten Wachdienst durchsucht. Eine Frau, die von einem Wachmann zwischen den Beinen abgetastet wurde, erlitt nach Angaben der BIs einen Nervenzusammenbruch. Polizei und Wachleute beurteilten den Vortag der Anhörung unterschiedlich. Polizisten lobten die Friedfertigkeit. Wachmänner hingegen, die zum Teil direkt im Sold des AKW-Betreibers RWE stehen, sprachen von „Randale“. Die Erörterung selbst ähnelte der vom Vortag: Verfahrensbedenken der Anwälte wurden abgeblockt und Rednern das Wort abgeschnitten. Immer wenn die Lage kritisch wurde, verließen die Anhörungsleiter Manfred Rebentisch und Gottfried Wirtz den Saal. Bei den EinwenderInnen verstärkte sich der Eindruck, ungehört zu bleiben, statt angehört zu werden. Es zeichnet sich immer deutlicher ab, daß das Umweltministerium die Genehmigung durchpeitschen will und die EinwenderInnen erneut die Gerichte anrufen müssen. Der Sprechesprecher des AKW-Betreibers RWE sagte gegenüber der taz: „Das RWE wünscht sich, daß das Verfahren Ende des Jahres abgeschlossen wird.“

Rebentisch sagte nach mehreren Unterbrechungen, Verfahrensfragen seien Rechtsfragen, und „Rechtsfragen interessieren mich hier nicht. Das wird Sache der Gerichte sein.“ Ihn gingen nur Sachfragen an - im „Erörterungsrahmen“. Gerade dieser Rahmen aber ist unter Juristen strittig. Rechtsanwalt Rainer Geulen, der die Stadt Neuwied und deren Stadtwerke vertritt, sieht bereits zu Beginn dieser neuen Erörterung das Genehmigungsverfahren als „unheilbar rechtswidrig“ an. Schon die öffentliche Bekanntmachung des Vorhabens durch das Umweltministerium enthalte „schwerwiegende Rechtsmängel“. Sie sei in Form und Inhalt unvollständig, verwirrend und sinnentstellend. Die Bekanntmachung und die weiteren Umstände lassen, so Geulen, „die verfassungsrechtlich und atomrechtlich gebotene Distanz zwischen Genehmigungsbehörde und Betreiber (RWE) vermissen“.

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