Mülheim-Kärlich: Auszug der AKW-Gegner

Im Anhörungsverfahren zur Wiederinbetriebnahme des Meilers verlassen die AKW-GegnerInnen das schauerliche Geschehen / Die private Ordnungstruppe geriet außer Rand und Band / Kein Einlaß für Abgeordnete und körperliche Übergriffe / BBU stellt Strafanträge  ■  Von Thomas Krumenacker

Mülheim-Kärlich (taz) - Die Gegner der Wiederinbetriebnahme des AKWs Mülheim-Kärlich bei Koblenz sind gestern aus dem Erörterungsverfahren zur ersten Teilerrichtungsgenehmigung ausgezogen. Nach den massiven Behinderungen von Kritikern des Atomkraftwerks kam es auch zu körperlichen Angriffen gegen einzelne Personen - den Einwenderinnen wurde es zuviel.

Von den Übergriffen, für die eine vom rheinland-pfälzischen Umweltministerium angeheuerte private Wachgesellschaft verantwortlich zeichnet, war unter anderem der Koblenzer SPD -Bundestagsabgeordnete Günther Pauly betroffen. Trotz Vorlage seines Abgeordneten-Ausweises wurde er zur Anhörung nicht eingelassen und anschließend von einer etwa zehn Mann starken „milizähnlichen Truppe“ vor die Türe gesetzt und verletzt. Auch der ehemalige saarländische Umweltminister Berthold Budell (CDU) durfte nicht in den Saal, weil er eine Leibesvisitation verweigert hatte.

Bereits am Dienstag abend hatte einer der Verhandlungsleiter aus dem Mainzer Umweltministerium einem der Hauptkläger gegen das AKW, Joachim Scheer, einen dicken Aktenordner auf den Kopf geschlagen - nachdem Scheer der Vehandlungsleitung einen Packen Blätter auf den Tisch geknallt hatte. Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) hat jetzt Strafanzeige unter anderem auch gegen den Umweltminister Alfred Beth (CDU) und die Verhandlungsleitung erstattet.

Neben diesen Vorfällen sahen die Vertreter der rund 60.000 EinwenderInnen auch inhaltlich keine Grundlage mehr für eine weitere Teilnahme am Erörterungsverfahren. Der Anwalt der Initiative, Wolfgang Baumann, erklärte, die Verhandlungsleitung habe seit Beginn „die gesetzlichen Vorschriften bei jeder sich bietenden Gelegenheit außer acht gelassen“. Der Münchner Chemiker und grüne Landtagsabgeordnete Professor Armin Weiß, der als Sachbeistand zur Erdbebengefährdung des AKW-Standortes fungierte, bemängelte eine „unkompetente und arrogante“ Verfahrensführung.

Als Konsequenz aus den „in der deutschen AKW-Geschichte einmaligen“ Vorkommnissen forderten die EinwenderInnen den sofortigen Abbruch des ganzen Erörterungsverfahrens. Dessen ungeachtet, kündigte das federführende Mainzer Umweltministerium nach nur 15minütiger Verhandlungsdauer an, das Verfahren am Freitag fortsetzen zu wollen.

Das Vorgehen des Ministeriums wird auch den rheinland -pfälzischen Landtag beschäftigen. Die Grünen beantragten Sondersitzungen des Rechtsausschusses und des Landtags. Aus Polizeikreisen vor Ort wurde unterdessen massive Kritik am Gebaren der privaten Wachleute und am Mainzer Umweltministerium laut. „Es geht nicht an, daß ein Ministerium das staatliche Gewaltmonopol an Privatsheriffs verhökert“, erboste sich vor Ort ein Polizist.