: Jochimsen gibt zu: Bei PreussenElektra im Beirat
Beiratsmitgliedschaft entspricht Jochimsens „Gepflogenheiten“ / Die SPD kassiert die Tantiemen und betont „ungeheure Homogenität“ mit dem Minister ■ Von Gerd Rosenkranz
Berlin (taz) - Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Reimut Jochimsen hat sein Engagement im Beirat des Atomstromproduzenten PreussenElektra bestätigt. Der Stromkonzern betreibt unter anderem das umstrittene Atomkraftwerk Würgassen, über das Jochimsen die Atomaufsicht führt.
In der Erklärung zu einem taz-Bericht vom Donnerstag begründete der SPD-Minister gestern seine Mitgliedschaft mit der „Gepflogenheit der PreussenElektra, einen Sitz im Beirat den Wirtschaftsministern der Bundesländer anzubieten, in denen sie Energieversorgung betreibt“. Er habe das Beiratsmandat im Frühjahr 1988 „zunächst“ angenommen. Im Mai dieses Jahres habe er jedoch „verbindlich erklärt, er wolle wieder ausscheiden und statt seiner ein anderes Mitglied der Landesregierung für den Beirat gewinnen“. In welcher Form dies geschehen ist und warum Jochimsen dem Beirat vier Monate später immer noch angehört, geht aus der Erklärung nicht hervor. Eine „Druck- oder Abhängigkeitssituation des Ministers gegenüber der PREAG“, heißt es in Jochimsens Rechtfertigungsschreiben weiter, sei nicht entstanden. Außerdem betonte der Minister, die Vergütung - etwa 25.000 Mark jährlich - werde entsprechend der „gesetzlichen Abführungspflicht“ weitergegeben - nach Informationen der taz an die SPD.
Jochimsen ging auch auf den Versuch der Stromwirtschaft ein, zusätzliche Millionenzusagen für den Pleitereaktor THTR -300 in Hamm-Uentrop von einem weitgehend ungehinderten Weiterbetrieb des veralteten Meilers in Würgassen abhängig zu machen. „Der Vorwurf, es gebe einen solchen Deal (...), wird entschieden zurückgewiesen“, heißt es in dem Papier. Die taz hatte das allerdings auch gar nicht behauptet, sondern lediglich über das erpresserische Angebot berichtet. PreussenElektra-Sprecher Rühland wies den Vorwurf erwartungsgemäß „schärfstens zurück“.
Jochimsen betonte außerdem, das AKW Würgassen entspreche unabhängig von der Frage der Nachrüstungsmaßnahmen - dem vom geltenden Recht geforderten Stand von Wissenschaft und Technik. Dennoch werde „ein Risikominderungsplan mit gebotener Intensität“ geprüft. Der Minister verweist auch auf ein Sachverständigenkolloquium zum AKW Würgassen, an dem im Juni auch der „kernenergiekritische Wissenschaftler“ Lothar Hahn vom Öko-Institut teilnehmen durfte. Dieses Treffen wurde auch erst durch eine taz-Veröffentlichung bekannt.
Nach Kenntnisnahme der Erklärung Jochimsens betonte der Sprecher der nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten, Achim Dahlheimer, es gebe „zwischen Partei und Landesregierung keinerlei Auffassungsunterschiede“, sondern im Gegenteil eine „ungeheure Homogenität“. Von einem Junktim der Stromwirtschaft - Millionen für den THTR gegen lasche Auflagen für Würgassen - wisse er nichts. Sollte es existieren, wäre dies eine Erpressung, der die Landesregierung nicht nachgeben werde. Weitergehende Erklärungen zum PreussenElektra-Engagement waren gestern weder von der Partei noch von der Landtagsfraktion zu erhalten. Der SPD-Fraktionschef im Düsseldorfer Parlament, Friedhelm Farthmann, ließ ausrichten, er wolle sich mit der Sache vertraut machen.
Die NRW-Grünen nannten das Engagement Jochimsens einen „politischen Skandal“ und forderten den Minister auf, den „Posten sofort zurückzugeben“. Die Landesregierung habe sich wegen ihres „Wackelkurses“ im Zusammenhang mit der Stillegung des Hochtemperaturreaktors erpreßbar gemacht. Die gravierenden Mängel, die das von Jochimsen selbst nach Tschernobyl in Auftrag gegebene Würgassen-Gutachten zutage gefördert habe, seien bis heute nicht behoben. Peter Eichenseher von der Klägergruppe gegen das AKW Würgassen meinte spontan, Jochimsen solle doch gleich in den PreussenElektra-Aufsichsrat wechseln und sein Ministeramt aufgeben. Das wäre dann wenigstens konsequent. Kommentar auf Seite 8
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