Verwaltungsgericht und Alliierte stoppen den Senat

Am 15. März, einen Tag vor der Übernahme der Regierung durch Rot-Grün, landete der abgewählte CDU-Senat noch einen raffinierten Coup: Auf seiner letzten Sitzung regnete es noch einmal Beförderungen für CDU-loyale Beamte, quer durch alle Senatsverwaltungen. „29 in einer Bündelung, und ausschließlich Führungskräfte“, empörte sich am nächsten Tag der frischgebackene sozialdemokratische Innensenator Pätzold über die von der CDU hinterlassenen Kuckuckseier.

Loswerden kann der neue Senat die CDU-Sympis in der Ministerialbürokratie offenbar nicht. Gleich mehrere von Pätzold versetzte Beamte, vor allem aus dem Bereich der „inneren Sicherheit“, klagten und erhielten Unterstützung vom Verwaltungsgericht. Vor zwei Wochen untersagte das Verwaltungsgericht mit einer einstweiligen Verfügung die von Pätzold angeordnete Versetzung eines Vertrauten „des vormaligen CDU-Innensenators Kewenig“. Der Senatsrat Lancelle, unter der CDU im Verfassungsschutz (VS) zuständig für Finanzen und Personalfragen, war vor Gericht genauso erfolgreich wie einen Monat zuvor ein anderer leitender Beamter der Schnüffelbehöre: Senatsrat Bakker, bis zum Machtwechsel Referatsleiter „Linksextremismus und Auswertung“ im VS, wurde durch Urteil der 5. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts wieder auf seinen alten Posten gehievt.

Der Schwenk des

Verwaltungsgerichts

Die Begründung: Die Umsetzung von Bakker sei nicht hinreichend begründet, sondern vielmehr von Ermessensmißbrauch geprägt. Aber gerade gegen jenen Bakker hat Pätzold ganz erhebliche Vorbehalte: Vor allem ihn macht er für „eine Reihe von Fehlentwicklungen beim Verfassungsschutz“ verantwortlich. Nicht immer hatte das Verwaltungsgericht ein so großes Herz für geschaßte Beamte. Nach Regierungsübernahme durch die CDU im Herbst 1981 kam die gleiche 5. Kammer zu ganz anderen Entscheidungen. So stellten die drei Richter im März 1982 auf die Klage eines versetzten SPD-nahen Beamten kurz und bündig fest: „Veränderungen, die sich aus der verwaltungsmäßigen Umsetzung des politischen Programms einer neuen Regierung ergeben, rechtfertigen die Umsetzung eines Beamten“.

Aber die Reformbemühungen der Rot-Grünen werden noch von ganz anderer Seite torpediert: von den Alliierten. Sie haben in Berlin-West die administrative Oberhoheit und verfügen laut Besatzungsstatut über die absolute Befehlsgewalt in der Halbstadt. Vor allem im Sicherheitsbereich ist Berlin-West für die Besatzungsmächte eine wahres Paradies. Sie kommen unkontrolliert an alle sicherheitsrelevanten Informationen heran, an die Dateien ebenso wie in sämtliche Telefonleitungen - zu fragen brauchen sie dafür niemanden.

Gleich zweimal griffen „unsere alliierten Freunde“ (Pätzold) in den letzten beiden Monaten in rot-grüne Reformbestrebungen ein. Wegen „Loyalitätsbedenken“ wollte der Senator den zweitmächtigsten Polizisten in der Stadt und Herrn über 15.000 Untergebene, Landespolizeidirektor Kittlaus, auf dem Wege einer Umstrukturierung der Polizeispitze entmachten. Bei einem ihrer Treffen, das sie sinnigerweise „International Working Party (IWP)“ nennen, entschieden Briten, Franzosen, aber vor allem die US -Amerikaner gegen Pätzolds Pläne.

Die Koalition schluckte diese massive Einmischung der „alliierten Freunde“ zunächst einmal. „Der Verfassungsschutz muß an Haupt und Gliedern reformiert werden“, verkündete der Senator dennoch unverdrossen. Als neuen Vizechef des Berliner VS wollte er den Juristen Horst Kitscha in das Amt holen. Auch dieser Veränderung am „Haupt“ der Schnüffelbehörde verweigerte allerdings die „internationale Arbeitsgruppe“ mit einem harschen „No“ ihr Placet. Kitscha, so die Amerikaner, „verfügt nicht über die notwendige operative Erfahrung“.

Das freute die CDU derart, daß sie emphathisch bekannt gab: „Nur das Verwaltungsgericht und die Alliierten können Pätzolds personalpolitischen Amoklauf stoppen.“ Und Springers 'Welt am Sonntag‘ erklärte - nur eine Woche vor dem Auffliegen des Stasi-Lustmolchs Lummer - den SPD -Innensenator Pätzold zum Sicherheitsrisiko.

Alliierte Weisungen

für den VS

Nicht nur in der Personalpolitik fuhrwerken die Alliierten aufs massivste herum. An ihrem Veto scheiterte die Absicht der Koalition, den Haushalt des VS künftig öffentlich zu beraten. Vor allem aber wollen sie bestimmen, welche politische Gruppierung der Senat auch weiterhin für ein „Sicherheitsrisiko“ zu halten hat und welche nicht. Kaum hatte der rot-grüne Senat im Mai verkündet, er werde nach dem Vorbild eines entsprechenden US-Gesetzes („Freedom of Information Act“) jedem Bürger, der zu Unrecht beim VS gespeichert sei, auf Anfrage sein Dossier zusenden und löschen, kam wieder ein Veto aus dem US-Hauptquartier an der Berliner Clay-Allee.

Noch ein Veto

Auch den Plan von SPD und AL, die Beobachtung des „Linksextremismus“ auf einen genau definierten Bereich zu begrenzen und sich darüber hinaus nur aus „öffentlich zugänglichen Quellen“ zu informieren, stoppten die Alliierten. Ebenfalls soll die Sozialistische Einheitspartei West-Berlin (SEW) weiterhin Beobachtungsobjekt bleiben. Auch über sie wollte die rot-grüne Koalition nur noch „Informationen aus allgemein zugänglichen Ouellen“ sammeln lassen.

Der Staatssekretär für Inneres Detlef Borrmann hat allerdings noch ganz andere Probleme anzumelden: „Was sollen wir nur mit den altgedienten V-Leuten aus der Szene und der SEW machen, wenn wir die plötzlich alle abziehen müssen?“

Till Meyer