Die „neuen“ Väter auf dem Vormarsch

Gesetzentwurf im Kabinett verabschiedet: Väter unehelicher Kinder erhalten Umgangsrechte - auch gegen den Willen der Mutter / Frauen verlieren ein fragwürdiges Privileg: über das uneheliche Kind können sie in Zukunft nicht mehr ganz allein entscheiden / Neue Pflichten müssen die Väter nicht übernehmen  ■  Von Gunhild Schöller

Schon bald werden unverheiratete Paare, die sich trennen, um ihren heißesten Zankapfel unter neuen Bedingungen streiten müssen: über das uneheliche Kind kann in Zukunft die Mutter nicht mehr allein entscheiden. Diese praktische Konsequenz hat ein Gesetzentwurf aus dem Justizministerium, der kürzlich im Kabinett verabschiedet wurde. Das Gesetz mit dem schwerfälligen Titel „Umänderungen im Umgang zwischen Vater und nichtehelichem Kind“ wird vermutlich 1990 in Kraft treten. Dann hat ein Vater sehr gute Chancen, den Kontakt zum unehelichen Kind nach der Trennung von der Frau aufrechterhalten zu können - auch gegen den Willen der Mutter.

Sehr heftig und sehr emotional streiten sich sowohl ehemalige Paare als auch Verbände von organisierten Müttern und Vätern um das Recht am Kind. Während Ehepaaare bei der Scheidung mühselig klären müssen, wie das Sorge- und Besuchsrecht geregelt wird, war bei unverheirateten Paaren die Rechtslage bislang eindeutig. Mit wem das Kind Umgang hat, entscheidet allein die Mutter. Nach Paragraph 1711 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist sie allein sorgeberechtigt. Als das Bürgerliche Gesetzbuch Ende des 19.Jahrhunderts entstand, wurde alles so geregelt, wie Männer es haben wollten. Sie sollten davor geschützt werden, mit der „Schande“ des unehelichen Kindes etwas zu tun zu haben. Die Sorge für das Kind wurde allein der Mutter aufgehalst. Mit den Zahlungen von Alimenten sollte mann sich diskret aus der peinlichen Affäre ziehen können. Erst in jüngerer Zeit, mit wachsender ökonomischer Selbständigkeit und neuem Selbstbewußtsein, begannen Frauen teilweise, dieses Recht auch als einen Vorteil, als eine Chance für mehr Selbstbestimmung zu begreifen. Schon bald aber traten die „neuen“ Väter auf den Plan: auch sie wollten im Zuge ihrer „Emanzipation“ Kontakt zum Kind und forderten zumindest das Recht auf Umgang. Im Justizministerium reagierte man auf die Proteste dieser empörten Männer relativ schnell - schneller jedenfalls, als dies bei Forderungen von Frauen jemals geschieht. Chancen vor Gericht

Bislang ist der Vater eines unehelichen Kindes beim Vormundschaftsgericht - das über solche Fälle entscheidet nur dann erfolgreich, wenn er nachweisen kann, daß seine Besuche dem „Wohl des Kindes dauerhaft dienen“. Die Beweislast liegt dabei beim Mann. Entscheidungen gegen den Vater sind die Regel, weil dieser Beweis sehr schwer zu führen ist. Das alleinige Sorgerecht der Mutter wiegt in der Rechtssprechung schwerer.

Jetzt bekommen die Väter mehr Rechte - ohne zusätzliche Pflichten. Das Umgangsrecht werde, so verlautbart das Justizministerium „nicht länger an besondere, einschränkende Voraussetzungen gebunden“ sein. Immer dann, wenn der Umgang mit dem Vater „dem Wohl des Kindes nicht widerspricht“, soll er gewährt werden. Die Beweislast ist damit umgekehrt, sie liegt dann bei der Mutter. Die Vormundschaftsrichter erhalten einen wesentlich größeren Ermessensspielraum. Dabei sollen sie besonders die Bindungen an den Vater berücksichtigen, die entstanden, während beide Elternteile noch zusammenlebten. Offen ist heute noch, wie die Gerichte entscheiden werden, wenn Frau und Mann niemals zusammenwohnten und keine Partnerschaft bestand, der Mann aber trotzdem Umgang mit seinem Kind haben möchte. In der seitenlangen Begründung aus dem Justizministerium für diese Gesetzesänderung wird jedoch betont, die Vormundschaftsrichter könnten nun „eine väterfreundliche Entscheidung“ fällen.

„Entschieden gegen diesen Gesetzentwurf“ ist Gunhild Gutschmidt, stellvertretende Vorsitzende des Verbandes alleinstehender Mütter und Väter (VAMV). „Ein Umgangsrecht gegen den Willen der Mutter fördert Mißbrauch und Konflikte.“ Alle unzufrieden?

Erstaunlicherweise ist der „Väteraufbruch“, die Initiative der Männer, die für den Umgang mit ihrem unehelichen Kind kämpfen, auch nicht zufrieden mit dem neuen Gesetz. Zwar wird die Umkehr der Beweislast zugunsten des Vaters positiv aufgenommen, aber insgesamt sei die Gesetzesänderung „ein falscher Schritt in die richtige Richtung“, so Werner Sauerborn, Sprecher der Initiative. Diese Väter fordern eine grundsätzlich andere Konstruktion des Sorgerechts. Auf Antrag soll ein unverheiratetes Paar das gemeinsame Sorgerecht bekommen - eine Regelung, wie sie z.T. in anderen westeuropäischen Ländern bereits praktiziert wird. Bei einer Trennung müßten Mann und Frau sich dann, wie bei einer Ehescheidung, über das Sorge- und das Besuchsrecht einigen bzw. die Richter entscheiden lassen. Die Pflichten eines Vaters, so Werner Sauerborn zu den Vorwürfen aus frauenbewegten Kreisen, ließen sich rechtlich nicht regeln jedenfalls nicht, wie sie qualitativ von ihm ausgefüllt werden.

„Ich begrüße diese Änderung, vom Kind her gesehen ist es gut, Kontakt zu seinem Vater zu haben. Für das Kind ist dies wichtig für die Entwicklung seiner Identität.“ Walter Bärsch, Vorsitzender des Deutschen Kinderschutzbundes, ist als einziger zufrieden mit dem Gesetzentwurf. Allerdings sieht auch er, daß sich „möglicherweise neue Konfliktfelder für das Kind eröffnen, wenn die Mutter stark gegen diesen Kontakt ist.“

Allerdings, so Gunhild Gutschmidt (VAMV), wird der erzwungene Kontakt zum Vater auch in Zukunft nicht das größte Problem der alleinstehenden Mütter sein. „Das Problem der Mehrheit ist, daß das Kind den Kontakt zum Vater wünscht, aber dieser nicht will.“ Und dieses Problem wird mit dem neuen Gesetz nicht gelöst.