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Citius, altius, fortius

Olympiabegeisterung in Barcelona schwindet rapide  ■  PRESS-SCHLAG

Citius, altius, fortius - dieser spätantike Wahlspruch, der dereinst griechische und römische Athleten um Leben und Ehre kämpfen ließ, hat sein schnödes Pathos längst verloren. Wenn heute bundesdeutsche Groß-Urbanisationen gleich im Dutzend die Zündschnur zur olympischen Fackel legen, dann sei ihnen warnend das Beispiel der nächsten Hauptstadt der magischen fünf Ringe, Barcelona, empfohlen.

Als am 12. Oktober 1986 die taktischen Finessen des „Ajuntamiento“, der Stadtregierung, zum „Okay“ des IOC für die zuvor dreimal in der Bewerbung gescheiterte katalanische Metropole führten, ahnten nur wenige der Millionen auf der Straße Tanzenden, welch einschneidende Folgen dieser Beschluß nach sich ziehen würde. Von der Geldaristokratie bis zum Schuhputzer auf den Ramblas war die Freude fast ungeteilt.

Doch der olympische Friedenspakt einigt die Familie längst nicht mehr. Kompetenzgerangel zwischem dem sozialistischen Alkalden Maragall, dem ultrarechten Präsidenten der katalanischen „Generalitat“, Jordi Pujol, und der Zentralregierung auf der einen Seite, sowie wüste Intrigen zwischen IOC, nationalem olympischen Komitee und der lokalen Organisationsleitung auf der anderen, kosten wertvolle Zeit und noch mehr Geld.

Zwar stehen Sponsoren Schlange - gut zwei Milliarden hat der olympische Pool schon sicher -, doch werden auch hier die Dollars konzeptionslos gescheffelt. So ist schon jetzt abzusehen, daß der US-Fernsehgigant NBC, mit fünfhundert Millionen eingestiegen, die Olympischen Spiele wegen übergeordneter Werbeinteresssen zu Nachtspielen umfunktionieren wird. Zwischen allen und allem jongliert nach bewährter Mafia-Methodik der IOC-Pate Samaranch, gleichzeitig Präside der „Caixa de Pensions“, einem der größten europäischen Geldinstitute. Letztere ist, wie der Zufall es will, Konzessionär eines Teils der olympischen Baumaßnahmen.

Erschwerend kommt hinzu, daß die Stadt neben der Beherbergung von drei Millionen Menschen und doppelt so vielen Kanalratten täglich fast vier Millionen rollende Abgasspender verkraften muß. Die infrastrukturellen Pläne von Stadtautobahnen bis hin zu notwendigen Hotelneubauten überfordern die von Mittelmeer und Bergen eingeschlossenen Ciudad catalana. So kam man kürzlich auf die nicht unoriginelle Idee, ein Dutzend Luxusliner als Olympiaherbergen im Hafen vor Anker zu legen.

Jüngste Umfragen beweisen, daß der olympische Wille der Katalanen 1.045 Tage vor der Eröffnungszeremonie stetig schwindet. Noch lächelt selbst in den Auslagen der Tabakgeschäfte „COBI“, das avantgardistische Maskottchen des valencianischen Künstlers Mariscall, ungebrochen tapfer. Seit aber der pferdenärrische Monarch Juan Carlos weiß, daß die von Zebras ins Land gebrachte Pferdepest - 633 sind bis dato eingegangen - die Austragung der Reitwettbewerbe unmöglich macht, mokiert auch er sich über die selbst gewollten Fakten.

150.000 Zuschauer konnten sich am Wochenende leidlich davon überzeugen, daß selbst der heftig gefeierte Neubau des Olympiastadions auf dem Montjuic zur ewigen Baustelle Gaudis Sagrada Familia geht seit einem Jahrhundert mit gutem Beispiel voran - verkommen könnte. Heute, am „la Diada“, dem Nationalfeiertag Catalunyas, prügelt man sich lieber rituell mit der verhaßten Polizei aus dem kastilischen Ausland morgen, manana, wird's schon weitergehen.

Nikolas Marten

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