Gottes Segen bei Disco-Beleuchtung

45 Liter Wasser pro Quadratmeter beim Weltcup der Leichtathleten / USA und DDR Sieger in der Mannschaftswertung  ■  Aus Barcelona Nikolas Marten

Von den weitabgelegenen Sammelparkplätzen quälen sich Menschenmassen die steilen Schotterwege zum Estadio de Montjuic, derweil dunkle Wolkenkaskaden den Berg umzingeln.

Der Eröffnungswettbewerb des Abschlußtages währt keine fünf Minuten, als erste wilde Regenschauer die Eintreffenden zum Rückzug von ihren überteuerten Plätzen zwingen. In der Stadionperipherie einschlagende Blitze zwingen die Stromversorgung, den Offenbarungseid abzulegen: Müde flackern die Computer-Monitore aus; ein letztes Zucken der Stadionhalogene, absterbend krächzen die Lautsprecher -Membrane. Bevor AthletInnen und Kampfrichter im kollektiven Pfützenspringen das Weite suchen, gleichen die segelnden Diskusscheiben im faden Schein eher Tellerminen, von wüsten Donnerexplosionen verfolgt. „Mehr Disco- als Diskusbeleuchtung“, witzelt ein entnervter Funktionär.

Einmal mehr beweisen sich die frappierenden architektonischen Schwächen der Stadionkonstruktion. Aus den Abflußrinnen strömen Wasserbäche fontänengleich auf die sich im Trocknen wähnenden Zuschauer. Bis in die Umkleidekabinen fließt das Naß durch die jetzt schon brüchigen Spitzbogen -Gemäuer. „Land unter“ ist auch aus dem übrigen Innenrund zu vermelden. Obwohl bereits die veranschlagte Fixsumme von 95 Millionen Mark verbraucht ist, erklärt ein spanischer Bauexperte, daß nochmals 50 Millionen und einjährige Arbeiten von Nöten seien, um dem Stadiontrakt das Gütesiegel „wettbewerbsfähig“ zu verleihen.

Inzwischen vertreiben sich die ausharrenden 40.000 mit Papierfliegern, frenetisch beklatscht und von Aufwinden getragen, die Regenzeit. Via Lautsprecher wird moderat darum gebeten, die Brüstungen zu meiden, da „Bruchgefahr“ bestehe. Die Presse hält sich unterdessen mit der Weitergabe neuester Wasserstandsmeldungen aus dem Circuit bei Laune. Andere kommentieren lieber den Hürdenlauf eines Rioja-Geschädigten, der, von Uniformierten gejagt, erst mittels eines finalen Bauchplatschers erlegt wird.

Als dann nach zwei Stunden der schillernde Halbkreis eines Regenbogens das vorläufige Ende der Unwetter verheißt, ringt sich die hilflose Organisation zur Fortsetzung der Wettbewerbe durch. Der Strom hat gerade wieder die Lichtmasten erreicht, als der US-Hürdenstar Roger Kingdom nach 12,88 Sekunden über 110 Meter für kurze Zeit glauben darf, seinen eigenen Weltrekord um vier Hundertstel verbessert zu haben, doch das angezeigte Rückenwind-Gebläse von über zweieinhalb Meter pro Sekunde zerstört sein Glück. Zerknirscht dankt er dennoch der „Segnung Gottes“, die ihm zum Sieg verholfen habe.

Kurz darauf sind es eine Seenplatte im Kurvenbereich und die ungewohnte Innenbahn, die den unbezwingbaren Zuckerhut -Renner Robson Caetano da Silva um eine neue Bestmarke auf der 200-Meter-Distanz bringen, die er in genau 20 Sekunden bewältigt. Nach dem 5.000-Meter-Lauf, von Said Aouita lässig als Arbeitssieg abgehakt, wird der Spanier Jose Luis Carreira für seine Bronze-Medaille enthusiastisch auf zwei Ehrenrunden gefeiert. Außer dem Sieg des Schweden Patrick Sjöberg mit 2,34 Metern im Hochsprung und dem Erfolg des britischen Lanzenschleuderers Steven Backley, der seinen Speer knapp 86 Meter weit wirft, bleibt nur der 400-Meter -Triumph der kubanischen Nachwuchs-Revolutionärin Ana Fidelia Quirot zu erwähnen, die nach den ersten Plätzen des Vortags über 800 Meter und in der 4*400-Meter-Staffel, nun gleich drei goldene Kränze ihrem greisen Gönner Fidel auf die Insel mitbringen darf.

In der Weltcup-Gesamtwertung gewinnt bei den Frauen erwartungsgemäß zum vierten Mal das von Funktionärs -Skandalen verunsicherte DDR-Team mit großem Vorsprung vor den Genossinnen aus der UdSSR. Überraschend dagegen der Sieg der USA-Equipe bei den Männern, die knapp die Mannschaften aus Europa und die hochfavorisierten Briten auf die Plätze verweist. Die DDR, nur als Ersatz für die Anabolika -gesperrten Sowjets aufgeboten, folgt auf dem vierten Rang der neun teilnehmenden Teams. Zynisch sächselt darüber der Chefschreiber des 'Neuen Deutschland‘: „Die rüssischen Brüdä ün Schwästän häben äben nischt äls Bröbläme mit ihrä Gläsnöscht.“

Endergebnisse:

Frauen: 1. DDR 124 Pkt.; 2. UdSSR 106; 3. Amerika 94; 4. Europa 89; 5. USA 84,5; 6. Asien 67,5; 7. Afrika 58; 8. Spanien 48; 9. Oceanien 40

Männer: 1. USA 133 Pkt.; 2. Europa 127; 3. Großbritannien 119; 4. DDR 116,5; 5. Afrika 107; 6. Amerika 97; 7. Asien 68,5; 8. Spanien 64,5; 9. Oceanien 64,5