D I E A U S S E R E U R O P Ä I S C H E N K O M M E N

 ■  Gastkolumne von Wolfgang Wieland

Immer im Sommer wird sie entdeckt: die Flüchtlingsschwemme. Waren es im Sommer 1986 die „Asylanten“ mit dem unrühmlichen Ende der brennenden Zelte und des Schließens des „Schlupfloches Schönefeld“, waren es vor einem Jahr die Aussiedler mit der Lafontaine-Debatte über „Deutschtümelei“, so gab es diesmal nur ein Thema: die Brüder und Schwestern und ob sie noch willkommen sind.

Der GA der AL ließ sich die Rolle des Agent provocateur diesmal nicht von einem Körting oder anderen streitig machen: Behandlung wie alle anderen Nicht-EG-Ausländer, Asylverfahren, alle humanitären AL-Absicherungen, und wenn das alles nichts bringt: zurück in den VEB nach Schkopau.

Die DDR-Führung sollte die „Angst vor dem Massenexodus“ genommen und Mut zur Reformfreudigkeit gemacht werden, zugleich war man sich mit dem Chefideologen der SED angeblich einig darin, daß Gorbatschows Perestroika eine stabile DDR am nötigsten brauche. Mit anderen Worten: Die Reformfeindlichkeit der Altherrenriege in der DDR liegt im tiefer verstandenen Reforminteresse.

Kein Wunder, daß ein Aufschrei durch die DDR-Exilszene ging. Zu Recht fühlte man sich als Manövriermasse für Schreibtischstrategen mißbraucht, die vom sicheren Hafen aus den Ratschlag geben: „Bleibt im Lande und wehrt euch täglich. Machen wir doch schließlich auch.“ Die Abhauer sehen da noch kleine Unterschiede und bieten den Tausch an. Wenigstens ein Gerechter akzeptierte das Angebot - nicht aus dem GA, aber immerhin: Ein Schriftsteller ging zurück in das Land, aus dem er mal im Wartburg geflohen war.

Fraktion und Delegiertenrat der AL stellten schließlich klar, daß ein Eingriff in die Freizügigkeit des einzelnen DDR-Bürgers nicht in Frage komme. Die AL fordert nach wie vor die vorbehaltlose Respektierung der DDR -Staatsbürgerschaft bei gleichzeitiger Möglichkeit für den DDR-Staatsbürger, der will, die bundesrepublikanische zu erlangen. Schließlich ist es die SED-Führung selber, die mit Ceausescu-Glückwunschtelegrammen und der Verteidigung des Massakers in Peking ihre Bürger zum Wahnsinn und in den Westen treibt. Hier muß angesetzt werden, nicht, indem man nach Dampfkesselmodell die Menschen als Explosivmasse instrumentalisiert. Zumal gerade die, die sich noch von jedem Ober im Leben geduldig plazieren ließen, dafür denkbar ungeeignet erscheinen. Den anderen will ja auch der GA Asyl gewähren.

Wolfgang Wieland ist Rechtsanwalt und ehemaliger AL -Abgeordneter. Sein Beitrag sollte ursprünglich im AL -Parteiorgan 'Der Stachel‘ erscheinen. Das wurde von der Redaktion abgelehnt. Grund: Damit werde eine innerparteiliche Diskussion eröffnet, die zur Zeit nicht im 'Stachel‘ ausgetragen werden solle. Thema solle vielmehr das Ausländerwahlrecht sein.