Gorbatschow besänftigt Eisenbahner

■ Streik in moldawischem Eisenbahndepot nach Gespräch mit dem Parteichef beendet / Andere Unternehmen weiter bestreikt / Proteststreik in Abchasien hält an / Zunehmende Spannung vor Nationalitätenplenum

Moskau (dpa) - Der sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow hat sich am Donnerstag abermals persönlich in den moldawischen Nationalitätenkonflikt eingeschaltet. Wie die amtliche Nachrichtenagentur 'Tass‘ berichtete, habe der Kremlchef in einem Gespräch mit dem Vertreter der moldawischen Streikkomitees, Pjotr Skriptschenko, bewirkt, daß der bereits seit 18 Tagen andauernde Streik im größten moldawischen Eisenbahndepot in Bender beendet werde. Dagegen würden die Unternehmen in Bender, Tiraspol und anderen Städten mit überwiegend russischsprachiger Bevölkerung weiter bestreikt.

Unterdessen haben die Beschäftigten von „zahlreichen“ Unternehmen in der Autonomen Sowjetrepublik Abchasien mit einem Proteststreik ihre Forderung nach Loslösung von Georgien bekräftigt. Wenige Tage vor dem mit Spannung erwarteten Plenum des Zentralkomitees über die Nationalitätenproblematik in der Sowjetunion forderte das abchasische Streikkomitee die Verwaltung des Gebietes durch den Obersten Sowjet der UdSSR, wie die Wochenzeitung 'Moskowskije Nowosti‘ in ihrer jüngsten Ausgabe berichtete.

Damit folgen die Abchasier offenbar dem Beispiel der Armenier in Berg-Karabach, deren zu Aserbaidschan gehörendes Gebiet im Januar nach Unruhen unter Sonderverwaltung Moskaus gestellt wurde. Die sowjetische Parteizeitung 'Prawda‘ berichtete am Donnerstag über eine weitere Verschärfung zwischen Armenien und Aserbaidschan im Streit um Berg -Karabach.

Nach Angaben des stellvertretenden armenischen Ministerpräsidenten J. Hodschamiljan hat Aserbaidschan praktisch eine Wirtschaftsblockade verhängt. 250 für Armenien bestimmte Güterzüge würden zurückgehalten. Dadurch habe sich die Versorgungslage vor allem im Erdbebengebiet in Nordarmenien wesentlich verschlechtert, sagte Hodschamiljan.

Gorbatschow hatte sich bereits Ende August erstmals in den moldawischen Sprachenstreit eingeschaltet. Nach einem Gespräch mit dem Kremlchef hatte der moldawische Parteichef Semjon Grossu dem Parlament seiner Republik einen Kompromiß vorgeschlagen, wonach Moldawisch (Rumänisch) Staatssprache und Russisch allgemeine Verkehrssprache werden sollte.

Die russischsprechende Bevölkerung will dagegen so lange streiten, bis das umstrittene Sprachengesetz der Republik ausgesetzt und beide Sprachen gleichgestellt werden, hieß es.

Die Armeezeitung 'Krasnaja Swesda‘ setzte am Donnerstag die Kampagne der zentralen sowjetischen Medien gegen die nationalen Bewegungen im Baltikum fort. Sie kritisierte vor allem das neue estnische Bestreben, die Gräber „der estnischen Helfershelfer Hitlers“ zu finden, um dort Denkmäler zu errichten.