Wehret dem Fleischlichen!

■ Wie die Zeugen Jehovas mit prallen Bildergeschichten den rechten Umgang lernen

Da, wo Findorff schon fast Walle ist, liegt der Königreichsaal: eine Art raumausgestatteter Turnhalle mit braunem Nadelfilzboden, braunem Stoffgestühl und Ribbelglas-Fenstern ganz ohne Aussichten. An einer akkuraten Pinnwand Bekanntmachungen wie „Welche Kranke sich über deinen Besuch freuen“. Drin versammelten sich gestern zur schönsten Sonnenzeit rund 100 ZeugInnen Jehovas (Bremen -Mitte) und empfingen die unbekannte taz-Reporterin mit ungezähltem Händeschütteln: „Guten Tag! Finden Sie einen Platz?

Sie brauchen sich praktischerweise nur „Zeugen“ zu nennen, denn das Problem mit dem Feminismus, das gibt es nicht: „Wie schön, daß unsere Ehefrauen Übereinstimmung bekunden mit dem Grundsatz 'Leitung der Familie durch ein Haupt'“, verkündete Bruder P. am Ende seines Vortrags. Die Schwestern und Brüder klatschten.

Die Männer trugen enge Krawatten um die Gurgel. Und als im Vortrag die Stelle kam „Manche achten nur darauf, ob die Schwester Hosen trägt oder hohe Absätze, obgleich es um Wichtigeres geht“, schämten sich die nackten Füße der taz -Reporterin unter den aufgekrempelten Hosenbeinen. Der vortragende Bruder P. hatte einen echten Stecker mitgebracht und konnte so zeigen, daß es mit Jehovagott wie mit einem E -Werk ist: Energie fließt wie Strom zu den Menschen, und die brauchen zwei Pole als Kontakte: das christliche Gewissen und die Reife. Unreif und labil ist, wer „Umgang pflegen“ will, der doch falsch ist, wer am falschen Ort Entspannung sucht und nicht weiß, daß im „vertieften Verhältnis zu Gott“ Befriedigung liegt.

Wo sonst in der Kirche schon fast alles vorbei ist, nach dem Vortrag, ging es bei den ZeugInnen erst richtig los. Der „Wachturm“ wurde herausgeholt. Einer verlas ein paar Absätze, ein anderer stellte die im Heftchen schon vorgegebenen Fragen, wie auf einem Schüler-Arbeitsblatt: „Wo befinden sich also Adam und Eva?“ In der Versammlung flogen die Finger in die Höhe, Alt und Jung meldeten sich, Bruder M. wurde drangenommen. Aus dem Hintergrund eilte ein Helfer mit Stangenmikrophon und hielt es dem Antwortenden hin: „Vor den Toren des Paradieses.“ Richtig. Weiter.

Die Wachturm-Heftchen entpuppen sich als Bildergeschichten: In prallen Farben sind da Adam und Eva zu sehen, sie mit Lidstrich und verführerischen Lippen, das nackte Decollete von Blüten notdürftig verdeckt, er als muskulöser Bartträger. Das muß das Fleischliche sein, vor dem sich hier alle zu hüten haben, denn nichts Geringeres als „unser ewiges Leben hängt davon ab“. Wie hieß es im Eingangslied: „Wer Freundschaft mit der Welt hält, trägt Feindschaft Gottes ein / Drum müssen Freunde Gottes stets loyal und standhaft sein“. Susanne Paa