Zaghaft grummelt's in der DDR

■ Inzwischen zehn Ermittlungsverfahren wegen „Zusammenrottung“ gegen die Festgenommenen von Leipzig / Die Ostberliner SchriftstellerInnen melden sich zu Wort / Bei der Synode in Eisenach: Forderungen nach „innerparteilicher Demokratie“ für die Ost-CDU

Berlin (taz) - Auf zehn Personen hat sich die Zahl derer erhöht, die vergangene Woche in Leipzig festgenommen worden sind; die DDR-Behörden haben gegen sie Haftbefehl erlassen und Ermittlungsverfahren wegen „Zusammenrottung“ eingeleitet, wonach ihnen mehrjährige Gefängnisstrafen drohen. Dies wurde am Wochenende aus Leipziger Kirchenkreisen bekannt. Ungewiß dagegen ist, wieviele Personen seit Tagen „verschwunden sind“. Meldungen, denen zufolge dreißig Menschen weder in ihrer Wohnung noch an ihrem Arbeitsplatz aufgetaucht sind, wurden gegenüber der taz als „Spekulationen“ zurückgewiesen. Für heute abend rechnet man in Leipzig mit erneuten Zusammenstößen zwischen TeilnehmerInnen des montäglichen Friedensgebetes und der Polizei. Entsprechendes haben die örtlichen Behörden angekündigt. Daher befürchten LeipzigerInnen, daß es erneut zu Verhaftungen kommen wird.

Endlich haben sich DDR-Schriftsteller dazu aufgerafft, zwar nicht zu dieser neuen Repressionswelle, aber doch allgemein zur Krise von Partei und Staat Stellung zu beziehen. Der Berliner Zweig des DDR-Schriftstellerverbandes hatte am Donnerstag zu einer Diskussion über „40 Jahre DDR“ geladen; die Auseinandersetzung ging dann aber um die Frage, wie die Schriftsteller in einen zukünftigen Reformprozeß eingreifen können. Christoph Hein und Renate Kuczynski sprachen sich neben anderen für den Dialog der Partei mit der Gesellschaft und für konkrete Demokratisierungsschritte aus. Bei der Abstimmung, an der rund 200 Mitglieder des Verbandes teilnahmen, stimmten nur fünf gegen das Paper, das der Diskussion zugrunde gelegen hatte, darunter Hermann Kant als Vorsitzender des Verbandes.

Bewegung kommt nun auch in die tiefgefrorenen Strukturen der DDR-„Blockparteien“. Aus tiefer Lethargie und Unterwürfigkeit aufgewacht, hat jetzt eine Weimarer Gruppe von CDU-Christen anläßlich der Eisenacher Synode eine Stellungnahme lanciert, die sich für innerparteiliche Demokratie in der DDR-CDU einsetzt; die Partei solle „ganz konkrete eigenständige Vorschläge zur Lösung gesellschaftlicher Probleme“ machen. Der Staat solle die Mündigkeit des Bürgers insbesondere dadurch respektieren, daß er mit der vollständigen Gängelung der Medien Schluß macht. „Eine Medienpolitik, die auf Verdrängen, Verschweigen und Beschönigen setzt, macht ihre eigenen Sachanliegen unglaubwürdig, verärgert die Menschen und öffnet den Westmedien weite Räume in der publizistischen Landschaft der DDR.“ Der Kirchenvertreter Kirchner (Eisenach) erklärte „am Rande der Synode“ lapidar, die CDU solle sich für das einsetzen, was die Bürger im Lande denken und fordern.

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