Bremer Polizei provozierte Mord

Polizeipräsident: Rambo-Einsatz war ein Fehler / Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Einsatzleiter Schmöe  ■  Aus Bremen H.Bruns-Kösters

„Die getroffenen polizeilichen Maßnahmen stellen nicht zwingend die einzige Möglichkeit zur Lösung dieser Lage dar.“ Vorsichtig, aber deutlich, distanzierte sich gestern Polizeipräsident Lüken von dem Rambo-Einsatz des Bremer Sondereinsatzkommandos (SEK) am vergangenen Mittwoch, in dessen Folge der 30jährige Christian Klems die gleichaltrige Bettina Lückermann und sich selbst erschossen hatte. Klems war als besonders gefährlich bekannt.

Die Kritik konnte nicht überraschen: Inzwischen waren Details bekanntgeworden, die es nahe legen, daß Einsatzleiter Schmöe den Tod beider bewußt einkalkuliert hatte. So war der Bremer Polizei sehr wohl bekannt, daß Frau Lückermann keine Geisel im klassischen Sinne war: Sie hatte sich am Vortag frei im Hotel bewegen können.

Bereits um 3.55 Uhr wurde der Polizei ein abgehörtes Telefonat bekannt, wonach Klems „Bettina etwas antun werde“, wenn die Polizei eindringe. Dies brachte die Polizei nicht von der Linie „Zugriff“ ab. Beamte des SEK drangen gegen halb fünf in ein Apartment gegenüber dem Zimmer von Klems ein, wo ein Ehepaar schlief - die überraschte Frau schrie laut auf. Spätestens jetzt wußte Klems von der Anwesenheit des SEK. Und schließlich sagte Bettina Lückermann in einem abgehörten Telefonat mit ihrer Schwester um 5.37 Uhr: „Haltet die Polizei zurück, sonst passiert was.“

Inzwischen war auch bekannt, daß das SEK beim Sturm zwei Türen und eine Ecke passieren mußte. Trotzdem gab Einsatzleiter Schmöe um 6.17 den Sturmbefehl - eine halbe Stunde später wurde er durchgeführt. Die tödlichen Schüsse fielen aus Klems‘ Revolver, nachdem die Apartmenttür aufgesprengt worden war - etwa zehn Sekunden, so die Schätzung der Polizei, brauchte das SEK, um einzudringen.

„Ich hätte gesagt, das machen wir nicht“, so Polizeipräsident Lüken gestern. Doch Lüken konnte nicht eingreifen: Schmöe gab den Befehl zum Angriff, bevor der Führungsstab zusammentreten und Kripo-Chef Möller die Befehlsgewalt übernehmen konnte. Vor dem Untersuchungsausschuß zum Gladbeck/Bremer Geiseldrama hatte Schmöe Möller heftig kritisiert, weil der keinen Schießbefehl gegeben hatte. Die Bremer Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen Schmöe wegen des Verdachtes der „fahrlässigen Tötung zum Nachteil Bettina Lückermanns“.