Erdverbundene Kämpfer unter sich

■ Karate: Internationaler Berlin-Pokal in der Schöneberger Sporthalle / Die Pokale bleiben in der Stadt / „Fast-Haut“ oder „Jacken-Kontakte“ waren den Sportlern erlaubt

Disziplin prägt das Erscheinungsbild der Karateka, so auch beim Internationalen Berlin-Pokal in der Schöneberger Sporthalle. Alles verlief nach einem strengen Ritual. Selbst die sich sonst duzenden Schiedrichter beratschlagten in militärisch steifer Haltung über umstrittene Kampfszenen. Ein Zeichen dafür, daß im Karate nicht nur das sportliche Duell zählt, sondern auch „Do“, der „Lebensweg“ zur Vervollkommnung des Ich?!

„Es gibt mehrere Gründe, warum man Karate betreibt“, weiß Ralf Zimmermann, Pressereferent des Berliner Karate -Verbandes (BKV): „Die einen haben einen Hang zu fernöstlichen Philosophien, andere wiederum suchen den sportlichen Wettkampf oder wollen Selbstverteidigung lernen

-vor allem Frauen!“

Die TeilnehmerInnen aus dem In- und europäischen Ausland durften während ihrer Duelle kein Wort mit den Punktrichtern wechseln. Um einen „Dialog der Taubstummen“ zu verhindern, unterstrichen die AthletInnen ihre Aktionen mit einem martialischen Geschrei, der nicht nur der Ventilierung angesammelter Körperspannung diente. „Ohne Schrei“, so BVK -Sprecher Zimmermann, „wird ein Schlag von den Schiedsrichtern gar nicht zur Kenntnis genommen.“

Leicht fiel den Damen und Herrn Juroren ihr Amt auch mit diesen Verbal-Attacken keineswegs. Die Schlagfolgen wurden mitunter derart schnell vorgetragen oder mit unglaublichen Reflexen pariert, daß unbedarft Außenstehende sich fragen mußten, weshalb gerade eine Wertung vergeben wurde oder ein Kontrahent eine blutende Nase davontrug. Zwar waren beim Berlin-Pokal nur „Fast-Haut“ oder „Jacken-Kontakte“ erlaubt, doch sind Verletzungen - vor allem bei entscheidenden Kämpfen - nie ganz auszuschließen. Über die Qualität eines Schlages sagt dies jedoch nur bedingt etwas aus.

Bei den Männermannschaften hatten wie erwartet Banzai Berlin und Dojo Jiyu Neumünster, der amtierende Deutsche Meister, die optimale „Kontrolle von Kraft und Spannung“ („Kime“) erlangt. Die Charlottenburger bezwangen im Halbfinale die türkische Fünf von Budokan Berlin nach heißen Gefechten mit 3:2. Neumünster siegte 4:1 gegen die zweite Mannschaft des Veranstalters Nippon. Bei den Frauen erreichte ebenfalls NipponII und die Berliner Dauergäste „Randers Karate-Skole“ aus Dänemark den Endkampf.

Daß die Berlin-Pokale in beiden Klassen letztendlich in der Stadt blieben, verdanken die einheimischen Karate-Vereine aber weder dem allmächtigen Schiedrichter-Dreigestirn, noch der (spärlich anwesenden) Zuschauermasse in der Sporthalle. Wie das Beispiel Banzai (3:1 gegen Neumünster) zeigte, hatte das Team die ideale Mischung aus fernöstlichen Denkern und erdverbundenen In-Fightern zur Stelle: Da punktete der stoische Defensivkünstler ebenso wie „Attila der Hunne“, der seinem Gegner kräftige Nasenstüber versetzte.

Jürgen Schulz